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keine Ancienneté, und komme ich wieder nach Wien, so habe ich doch das 
sichere Versprechen des Grafen Palfy, das in ökonomischer Hinsicht noch 
mehr Vorteile gewährt. — Toni hat mir auch bei dieser Gelegenheit ihre 
große, edle Seele bewiesen. Sie weint wohl; aber der geendigte Feldzug 
wird ihre Tränen schon trocknen. 
Die Mutter soll mir ihren Schmerz vergeben; wer mich liebt, soll 
mich nicht verkennen, denn Du wirst mich Deiner würdig finden. 
Humboldts, Schlegels und die meisten meiner Freunde haben bei 
meinem Entschlüsse zu Rate gesessen. Humboldt gibt mir Briefe. Ich 
schreibe Euch auf den Montag noch einmal. 
125. Bismarck an seine Gattin. 
Frankfurt, 3. Juli 1851. 
.... Vorgestern war ich in Wiesbaden und habe mir mit einem 
Gemisch von Wehmut und altkluger Weisheit die Stätten früherer Torheit 
angesehen. Möchte es doch Gott gefallen, mit seinem klaren und starken 
Weine dies Gefäß zu füllen, in dem damals der Champagner 22jährigcr 
Jugend nutzlos verbrauste und schale Neigen zurückließ Wie viele 
sind begraben, mit denen ich damals liebelte, becherte und würfelte! Wie 
hat meine Weltanschauung doch in den 14 Jahren seitdem so viele Ver¬ 
wandlungen durchgemacht, von denen ich immer die gerade gegenwärtige 
für die rechte Gestaltung hielt, und wie vieles ist mir jetzt klein, was 
damals groß erschien, wie vieles jetzt ehrwürdig, was ich damals ver¬ 
spottete! Wie manches Laub mag noch an unserm inneren Menschen 
ausgrüncn, schatten, rauschen und wertlos welken, bis wieder 14 Jahr 
vorüber sind, wenn wirs erleben! Ich begreife nicht, wie ein Mensch, 
der über sich nachdenkt und doch von Gott nichts weiß oder wissen will, 
sein Leben vor Verachtung und Langweile tragen kann, ein Leben, das 
dahinsährt wie ein Strom, wie ein Schlaf, gleichwie ein Gras, das bald 
welk wird; wir bringen unsre Jahre zu wie ein Geschwätz. Ich weiß 
nicht, wie ich das früher ausgehalten habe; sollte ich jetzt leben wie damals, 
ohne Gott, ohne Dich, ohne Kinder — ich wüßte doch in der Tat nicht, 
warum ich dies Leben nicht ablegen sollte wie ein schmutziges Hemde; und 
doch sind die meisten meiner Bekannten so, und leben Schließe 
nicht ans diesem Geschreibsel, daß ich gerade besonders schwarz gestimmt 
bin; im Gegenteil, mir ist, als wenn man an einem schönen September¬ 
tage das gelbwerdende Laub betrachtet; gesund und heiter, aber etwas 
Wehmut, etwas Heimweh, Sehnsucht nach Wald, See, Wiese, Dir und 
Kindern, alles mit Sonnenuntergang und Beethovcnscher Symphonie 
vermischt
	        
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