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Ruinen des gestürzten Kaisertums aber in unsern Tagen ein neues, das
als die Fortsetzung des ersten auftritt, sieb erbeben konnte. Der vor¬
nehmste Grund liegt darin, dass Cromwell die socialen Verhältnisse, wie
sie einmal gebildet waren, erhalten vorfand und eher in Schutz nahm,
als umzustürzen suchte, so dass sie nach seinem Abgang eine ihnen ana¬
loge Regierung notwendig machten. Dagegen fand Napoleon eine sociale
Revolution in den grössten Dimensionen durchgeführt vor, er brauchte
sie nur zu konsolidieren und mit seiner militärischen Gewalt zu durch¬
dringen, um ein neues Imperium aufzurichten.
108. Urteile über Wallensteins Unternehmen.
Von L. v. Ranke.
0. a. 0., S. 317.
Als Wallenstein im Februar 1634 zu Eger ermordet worden war,
bildeten sich über seine Schuld am Hofe zu Wien selbst zwei entgegen¬
gesetzte Meinungen. Die einen bestanden darauf, er habe sich in eine
hochverräterische Konspiration eingelassen, den Kaiser aus Wien ver¬
jagen, das Haus Oesterreich in Deutschland, ja selbst in Spanien stürzen
wollen; sie verbreiteten sich darüber, in welcher Art er alsdann die
europäischen Staatenverhältnisse umzugestalten beabsichtigt habe. Die
andern stellten das alles in Abrede. Sie bemerkten: Hätte Wallenstein
etwas Böses wider den Kaiser im Sinne gehabt, so würde er das vor¬
längst ohne Mühe ins Werk haben setzen können, jetzt aber würde er
zu solchem Zwecke ganz anderer Menschen bedurft haben, als die ihm
zur Verfügung standen. Zudem aber: Lasse es sich denken, dass ein von
Krankheiten geplagter Mann, von welchem der Ausspruch der Arzte. ge¬
wesen sei, dass er keine zwei Jahre mehr leben könne, überdies ohne
Leibeserben, eine der Kronen seines Kaisers sich habe auf das Haupt
setzen und den Kampf darüber unternehmen wollen? Die Felonie, die
man ihm schuldgebe, werde sich nimmermehr erweisen. Nach seiner
und seiner Vertrauten Ermordung habe man sich ihrer Papiere bemäch¬
tigt, aber gewiss nichts Überzeugendes gefunden, sonst würde man die
Untersuchung rasch und entscheidend zu Ende führen.
Unter den deutschen Kriegsführern fasste die Meinung Wurzel,
Piccolominis Ehrgeiz habe den Sturä Wallensteins veranlasst; in Wien
ward ihm ein sehr kühler Empfang zu teil. Die Meinung bildete sich
aus, dass „der General den Fremden aufgeopfert worden sei“. Von Rom
her hat man dem kaiserlichen Hofe Vorstellungen über sein Verfahren
gemacht: Wenn er es nicht rechtfertige, so könne er sich leicht den
allgemeinen Hass der Kriegshäupter zuziehen. Die römischen Gelehrten
und Staatsmänner brachten eine Stelle aus Tacitus in Erinnerung, nach
welcher die vom Kaiser Galba Hingerichteten deshalb, weil man sie nicht
gehört und ihnen keine Verteidigung verstattet hatte, für unschuldig
galten.