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entschiedenen Vorgehen in einer bestimmten
Richtung veranlaßt; es ist dies das er¬
regende Moment. Oft ist dieses zweimal
und zwar in verschiedener Weise ausgeprägt,
wenn nämlich die Bestrebungen sowohl des
Helden als auch seiner Gegner in Thätig¬
keit gesetzt werden. So beginnen Kampf
und Gegenkampf, Spiel und Gegen- !
spiel, zunächst in aufsteigender Linie bis
zu der Stelle, wo der Held oder wo seine
Gegner, je nachdem jener oder diese Führer
der Handlung sind, ein bestimmtes, vor¬
läufiges Ziel erreichen. Diese Stelle ist
der Höhepunkt des Dramas. Der Höhe¬
punkt wird meist in mehreren Stufen er¬
reicht, die als solche durch ihren inneren
Zusammenhang empfunden werden. Die
einzelne Stufe kann aus einer einzigen
Scene bestehen; meistens setzt sie sich aus
verschiedenen Scenen (Hauptscene, Neben¬
scene) zusammen. Gewöhnlich enthält der
erste Akt außer der Einleitung noch die
erste Stufe der Steigerung, der zweite Akt
bringt die folgenden und der Anfang des
dritten Aktes die letzte Stufe. Es geschieht
aber auch wohl, daß mitten in eine Stufe
ein Aktschluß fällt.
Nach dem Höhepunkt (im dritten Akte)
kann die Handlung unmittelbar umwenden;
in der Regel wird aber die fallende Hand¬
lung durch ein bedeutsames Ereignis ein¬
geleitet. welches alsU m s ch w u n g (Peripetie),
in der Tragödie als tragisches Moment
bezeichnet wird. Höhe und Umschwung lie¬
gen demnach nahe an einander, oft sogar
in derselben Scene. In der Richtung, die
das tragische Moment oder die mit der
Höhe zusammenfallende Wendung bezeichnet,
verläuft nunmehr die fallende Handlung,
und zwar, der Natur der Sache entsprechend,
meist in raschem Gang. Während in der
steigenden Handlung die Führung gewöhn¬
lich in der Hand des Helden liegt, tritt
nun das Gegenspiel in den Vordergrund.
Vor dem Eintreten der Katastrophe wird
dann wohl in einer großen Scene der Held
in seiner ganzen Bedeutung noch einmal
zur Geltung gebracht, damit sein Unter¬
gang zu erschütternder Wirkung kommt.
Verstärkt wird diese Wirkung gelegentlich
noch durch eine überraschende Wendung,
etwa ein neues Hindernis, das die fried¬
liche Lösung zu vereiteln droht, oder eine
Aussicht auf Rettung des bereits verlorenen
Helden; es ist das Moment der letzten
Spannung. Im Schlußteile, der Ka¬
tastrophe, entscheidet sich der Kampf. Der
Held hat gesiegt, oder er geht im Kampfe
zugrunde.
6. Die poetische Form des Dramas ist
verschieden. Für das deutsche Drama isb
mit wenigen Ausnahmen der fünffüßige
Jambus geltend geblieben. Auch haben
sich die dramatischen Dichter nicht selten
der Prosa bedient; zu einem Kunstwerke im
besten Sinne des Wortes wird das Drama
aber erst durch die rhythmische Form. Die
Form der Rede ist der Dialog, Rede und
Gegenrede, welche die Motive der Hand¬
lung und ihre Zwecke in das richtige Licht
setzen und die wirkenden Mächte offenba¬
ren, die im Gemüte des Helden zur Gel-
tung kommen. Auch der Monolog, das
Selbstgespräch, ist im Drama berechtigt,
insofern er die inneren Tiefen des Charak-
ters klarlegt und dadurch den Dialog er¬
gänzt oder im entscheidenden Momente die
Gründe enthüllt, welche im Innern des
Helden zur Entscheidung drängen. Oft macht
er auch die Zuschauer mit Gedanken und
Plänen des Helden bekannt, welche aus
irgend welchem Grunde den Personen des
Stückes verborgen bleiben müssen.
7. Das Drama ist nicht zum Lesen, son¬
dern zur Aufführung bestimmt. Es muß
daher bühnengerecht sein, d. h. es darf
nichts enthalten, dessen Darstellung mit
den Mitteln der Bühne unmöglich ist. Ein
solches Mittel ist die Scenerie, welche dazu
dient, den Schauplatz der Handlung mit
dem Scheine vollster Wirklichkeit darzu¬
stellen. Auch darf ein Drama nicht zu lang
sich ausdehnen, wenn nicht die Aufmerk¬
samkeit der Zuhörer erlahmen soll; im all-
geineincn dürfte die Darstellung eine Zeit
von drei bis vier Stunden nicht über¬
schreiten.
8. Im Drama handelt es sich entweder
um einen Kampf für eine höhere Idee,
welche der Held des Dramas mit der ganzen
Wucht seiner Persönlichkeit bis an den Tod
verficht, oder aber um Erreichung endlicher
Zwecke, für welche der Held des Dramas
mit kleinen oder kleinlichen, aber für be¬
deutend gehaltenen Mitteln kämpft. Im
ersten Falle haben wir die Tragödie,
im letzteren die Komödie. Zwischen diesen
beiden Hauptarten des Dramas in der
Mitte steht das Schauspiel, ein Drama,
in welchem der Kampf sich nicht zu einem
tragischen Ausgang steigert, sondern mit
einer glücklichen Wendung schließt, welche
den Helden sein Endziel erreichen läßt. In¬
sofern dieser Kampf nun mit der ganzen
Kraft des Tragischen wirkt, kann das Schau¬
spiel auch auf der Höhe der Tragödie
stehen; anders ist es mit den „bürgerlichen
Rührstücken", in denen mit Rücksicht auf
die weinerliche Schwäche des Publikums
I schließlich „jeder mit heiler Haut davon-