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Pudelhündchen, die den Mond anhellen. Treffend sagt ein neuerer Kritiker:
„Wir heutzutage denken von den Xenien freilich anders und beurteilen
sie von einem andern Standpunkte aus, in ihnen ein litteraturgeschicht-
liches Kleinod bewahrend; träten aber Goethe und Schiller als xenische
Redivivi unter uns, ich glaube, wir verführen, trotz unserer Superioren
Stellung und feinem Auffassung, nicht glimpflicher mit ihnen und würden
uns schwerlich eines wütenden: Kreuzige sie! enthalten.“ Dieser Aus¬
spruch möchte wohl auf alle Zeiten passen; denn die menschlichen Leiden¬
schaften bleiben sich gleich, und gekränkte Eitelkeit ist ein grimmer
Löwe, der keine Mässigung kennt, den keine Bildung zügeln kann
(S. 215.) Wie wenn ein frischer Bursch übermütig in die weite
Weit hinaus zieht, und er kehrt dann heim, ein ernster Mann, mit
reichen Erfahrungen, mit köstlicher Lebensweisheit ausgerüstet, so kamen
Schiller und Goethe von ihrer Xenienwanderung zurück. Sie hatten
Dornen gesucht und Früchte gefunden. Die philosophischen Epigramme,
„Tabulae votivae“ genannt, sind ein seltener Schatz unserer Litteratur,
und es ist mit Recht gesagt worden, diese Distichen enthielten eine solche
Gedankenfülle, dass man ganze Bücher darüber schreiben könnte. Ihre
Kürze, ihre Gedrungenheit macht sie nur noch anziehender; wenn man
die Edelsteine, wie Gneiss und Glimmer, in grossen Lagen fände, dann
wären sie eben keine Edelsteine mehr.
Die Xeniendichtung in ihrer Gesamtheit bildet einen Januskopf;
während die satyrischen Epigramme auf die wild genialen Jugendwerke
der Dichter zurückschauen, blicken die „würdigen Distichen“ mit mildem
Auge auf die klassischen Schöpfungen ihrer reiferen Jahre hin. — Nach¬
dem die Trennung beider Gattungen beschlossen war, band Schiller eine
Anzahl ernster Xenien, „aus Goethes und den seinigen gemischt,“ in
einen Strauss zusammen, damit sich auch hier die Idee der innigsten
Verschränkung erfüllen möge. Goethe fand dieses Bouquet sehr anmutig
und schrieb dem Freunde am 17. August:*) „Die tahulas votivas bringe
ich morgen wieder mit. Ihre Distichen sind ausserordentlich schön, und
sie werden gewiss einen trefflichen Effekt machen. Wenn es möglich
ist, dass die Deutschen begreifen, dass man ein guter, tüchtiger Kerl
sein kann, ohne gerade ein Philister oder ein Matz zu sein, so müssen
Ihre Sprüche das gute Werk vollbringen, indem die grossen Verhältnisse
der menschlichen Natur mit so viel Adel, Freiheit und Kühnheit dar¬
gestellt sind.“
27. Historischer Rückblick.
Von Hebbel.
Nach dem Xenienhagel der beiden deutschen Heroen
Ward es lebendig im Sumpf, wie man es nie noch gesehn!
Schiller und Goethe hiessen die Sudelköche in Weimar,
Und der erbärmlichste Wicht warf sie mit Steinen und Kot.
Doch was bewies der Spektakel? Nichts weiter, als dass das Gelichter
Noch viel kläglicher war, als es die beiden gemalt.
*) 1796.