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2. Wenn alle Winde schweigen, der Kahn Dich ruhig wiegt,
Der Schilfer wird Dir zeigen, wo sie begraben liegt.
Du blickst auf Markt und Strassen, doch öde, menschenleer,
Und wenn die Glocken tönen, so strich ein Hecht zwischenher.
3. Vor Zeiten zu Stavoren war Pracht und Überfluss,
Da schwelgte man in Freude und sann nur auf Genuss,
Da mussten Gailionen durch alle Meere gehn,
Mit den Schätzen fremder Zonen Stavorens Kinder zu versehn,
4. Verwöhnte Kinder freilich, das Glück war allzuhold.
Den Hausflur und die Thiire beschlugen sie mit Gold,
Gepflastert mit Dukaten war Hof und Speisesaal,
Mit blanken Laubthalern die Weg’ und Stege zumal.
5. Wie sich die Schätze häuften, so wuchs der Übermut,
Als wär’ der Himmel käuflich für eitel Geld und Gut.
Und als das Mass erfüllt war, da gingen sie zu Grund,
Die erst das Meer bereichert, die schlang das Meer in den Schlund
6. Vor allen in Stavoren war eine Jungfrau reich,
Ihr Harne ging verloren, kein König kam ihr gleich;
Doch herrisch und vermessen war ihr bethörter Sinn,
Sie hatte Gott vergessen und dachte nichts als Gewinn.
7. Zu ihrem Schiffmeister sprach einst die stolze Maid:
„Auf, lichte Du die Anker, zwölf Monden hast Du Zeit;
Doch kehrst Du nach Stavoren, so sei Dein Schiff beschwert
Mit dem Edelsten und Besten, das rings der Erdball gewährt.“
8. Da sprach der alte Meister, er war ein weiser Mann:
„Ich bringe, was Du heischest, nur zeig’ es näher an;
Des Edlen und des Guten ist auf der Welt so viel,
Was Dich das Beste dünket, das Edelste schafft mein Kiel,
9. Wofern Dein Mund es ausspricht. Ist’s Korn oder Wein?
Ist’s Bernstein oder Seide, Gold oder Spezerei'n?
Sind’s Perlen, sind’s Smaragden? Es kostet Dich ein Wort,
Das Schiff mir zu befrachten mit der Erde köstlichstem Hort.“
10. Sie sprach; „Du musst es raten, Du giltst doch sonst für klug
Wer meinen Dienst erwählte, dem sei ein Wink genug.
Nun lass das läst'ge Fragen; bei meinem Zorn, ins Meer!
Das Edelste, das Beste gebracht, ich sage nicht mehr.“
11. Da muss er wohl gehorchen; unschlüssig fuhr er ab,
Der Frau Geheiss erwägend, das viel zu denken gab.
Er kannte wohl der Herrin hochmütig strengen Sinn;
Wie er ihr nun genüge, darüber sann er her und hin.
12. Am Ende dacht’ er also: Ich kauf ihr Weizen ein,
Was möcht’ auf Erden edler, was möchte besser sein?
Man hält in hohen Ehren das herrliche Korn,
Niemand kann es entbehren; so meid’ ich wohl ihren Zorn.