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13. Da steuert’ er gen Danzig und lud zu gutem Kauf
Polnischen Getreides zehntausend Lasten auf;
Es war der beste Weizen, den je die Erde trug;
Wer des genossen hätte, dem gab er Kräfte genug.
14. Da liess er seine Segel die Winde blähn und war
Im Hafen von Stavoren noch vor dem halben Jahr.
So schritt er vor die Herrin, die noch bei Tafel sass,
Mit Blicken der Befremdung von Haupt zu Füssen ihn mass.
15. „Wie,“ rief die Übermütige, „Schiffmeister, schon zurück?
Und war’ Dein Schiff ein Vogel, den Vogel hiess’ ich flück.
Dich wähnt’ ich an Guineas goldreichem Strand;
Was hast Du nun geladen? sag an, ich bin doch gespannt.“
16. Da sprach der Seemann zögernd, er hörte wohl, der Wind
Sei seiner Fahrt zuwider, doch fasst’ er sich geschwind:
„Den besten Weizen führ' ich, Gebieterin, Dir her,
Kein besserer ist zu finden, so weit die Länder küsst das Meer.“
17. Sie sprach: „Was muss ich hören? Das hätt’ ich nicht gedacht
Elenden Weizen, woraus man Semmel macht?
Den wagst Du mir zu bringen? Es wird Dein Ernst nicht sein;
Das Edelste, das Beste, gebot ich, handle mir ein.“
18. Da sprach der Greis: „So elend ist doch, was Brot giebt, ni’cht,
Da man zu Gott alltäglich um Brot die Bitte spricht.“
„Wie ich’s verachte,“ rief sie, „beweis’ ich Dir sofort.
Von welcher Seite nahmst Du, die schnöden Körner an Bord?“
19. „Das Schiff ist von der rechten geladen,“ sprach er. — „Gut,
So wirf mir von der linken den Weizen in die Flut.
Die ganze Ladung, hörst Du? Das muss sogleich geschehn:
Ich werde selber kommen, ob Du gehorchtest, zu sehn.“
20. Der Schiffmann ging, doch that er nicht, wie die Frau ihn hiess,
Weil ihr Gebot so greulich wider Gott verstiess,
Er rief die Armen alle, die Hungernden, herbei,
Ob nicht durch solchen Anblick das harte Herz zu rühren sei.
21. Sie kam und fragte: „Hast Du gethan, wie ich befahl?“ —
Da fallen ihr zu Füssen die Armen allzumal;
„Lass uns den Weizen,“ flehn sie, „eh' ihn das Meer verschlingt,
Dass wir den Hunger stillen!“ Sie aber weigert’s unbedingt
22. Und winkt ihren Knechten und lässt erbarmungslos
Die Gottesgabe senken in tiefer Fluten Schoss;
Die Menge musst' es schauen, die stumm die Hände rang.
Da rief der alte Schiffer, der sich nicht länger bezwang,
23. Laut rief er’s vor dem Volke der Frau ins Angesicht:
„Nein, wahrlich ungeahndet bleibt diese Bosheit nicht.
Wenn noch das Gute lohnet, das Böse straft ein Gott,
-So wird einst schwer gerochen an euch der frevelnde Spott.