Arbeit und Muße. 
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So war eine einfache und vernünftige Lebensordnutlg begründet, 
wie sie sich bei allen Zweigen des arischen Völkergeschlechts wieder¬ 
holt; auch bei den Griechen, so lange sie als Pelasger wesentlich 
Landbauer waren und mit eigener Hand den Boden bestellten. In 
diesem Zustande ist ein großer Teil des Volks lange geblieben; die¬ 
jenigen aber, mit welchen die Perser in Berühritng kamen, die auf 
den Inseln und Küsten ansässigen Griechen, waren mehr als irgend 
ein anderes Glied des arischen Völkergeschlechts mit den seefahrenden 
Semiten in Berührung gekommen, welche Handel und Industrie 
im Archipelagus eingeführt und mit ihrer Unruhe die Griechenwelt 
erfüllt haben. Der Kaufmarkt wurde nun der Mittelpunkt der Küsten¬ 
städte, und weil der Perserkönig in diesem Zustande die Griechen 
kennen lernte, verachtete er sie, wie Herodot sagt, als ein entartetes 
Volk, welches außer stände sei, einem mannhaft gebliebenen Widerstand 
zu leisten. 
Kyros sah nur die Schattenseite, und es ist unleugbar, daß die 
Erwerbslust, welche keinen regelmäßigen Wechsel von Arbeit und 
Muße, keine festen Ziele und Zeiten hat wie der Landbau, die 
sittliche Gesundheit der Griechen frühzeitig angegriffen und ihren 
Stammcharakter wesentlich verändert hat. Andererseits beruht aber 
die ganze Vielseitigkeit und Fruchtbarkeit des Griechentums darauf, 
daß es zwei verschiedenen Kulturkreisen angehört, und wir erkennen 
in ihm deutlich einen doppelten Zug, den arischen Stolz, der jeden 
kaufmännischen und industriellen Erwerb verachtete, und die den 
Phöniziern abgelernte Betriebsamkeit, die in rastloser Geschäftigkeit 
alles zu verwerten suchte, was die Natur darbot oder ihr Fleiß her¬ 
vorbrachte. 
Dieser Gegensatz hat eine wohlthätige Gärung erzeugt; er hat 
Nachdenken und Anstrengung hervorgerufen, und in dem Bestreben, 
ihn richtig zu vermitteln, sind die Griechen über die Einseitigkeit der 
älteren Völker hinausgegangen, haben die verschiedenen Richtungen des 
Menschenlebens zuerst klar überblickt und eine ihnen durchaus eigen¬ 
tümliche Lebensordnung aufgestellt. 
Merkwürdig ist, wie sie dazu das Ausländische benutzten. 
Von den Phöniziern haben sie Menschenraub und Menschenhandel 
kennen gelernt. Dadurch wurde die Möglichkeit gegeben, einen Stand 
heimatloser Leute zusammen zu bringen, auf welchen die Landeskinder 
die Last der Tagesarbeit wälzen konnten. Nun teilt sich das Geschlecht 
der Menschen darnach, ob sie Muße haben oder nicht. Der Unfreie, 
sagt Aristoteles, hat keine Muße; für ihn giebt es nur Arbeitszeit und 
Arbeitspause. Auch für das unreife Alter ist sie nicht vorhanden. 
Erst der voll Entwickelte tritt in ihren Genuß ein, wie der erwachsene 
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