Arbeit und Muße. 
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Macht entfaltet, wo ist es so sehr das Wahrzeichen und der ideale 
Mittelpunkt eines reich entfalteten Volkslebens geworden, wie die Leier 
bei den Hellenen, das Symbol hellenischer Muße! Von ihr dachten sie, 
daß sie Himmel und Erde beherrsche. „Denn auch des Krieges wilder 
Gott," sangen sie „läßt starrender Speere Gewühl hinter sich und 
labt sein Herz an Liedeslust. Auch die Herzen der Götter durchdringt 
der Saiten Zaubergewalt, von der Hand des Apollon gepflegt und 
der Kunst holder Musen." 
Die Musenkunst stattete die Feste so herrlich aus, daß die Bürger, 
allen Geschäften entrückt, tagelang in voller Spannung den Wett¬ 
kämpfen ihrer Dichter zuhörten. Auch beim häuslichen Mahle kreiste 
die Leier, und wie man das gesellige Zusammensein durch geistigen 
Genuß zu adeln, durch Scherz und Ernst zu würzen wußte, zeigt 
Platons Gastmahl in einem verklärten Abbild. Ja, wenn wir 
noch heute unablässig beschäftigt sind, den ganzen Reichtum dessen, 
was von den Griechen in ihrer Muße gedacht und gedichtet ist 
immer vollständiger zu würdigen, so hat man in der That den 
Eindruck, als wenn bei ihnen das natürliche Verhältnis umgekehrt 
und des Volks ganze Arbeit in die Ausstattung der Muße verlegt 
worden sei. 
Und doch war dies nur immer die andere Seite seiner Thätigkeit, 
die Ergänzung der praktischen Wirksamkeit, welche mit unbeschränkter 
Energie dem Ausbau der Verfassungen, der Leitung des Gemeinwesens, 
der Verteidigung seiner Unabhängigkeit zugewendet war. In der Pflege 
der musischen Künste war aber die volle Freiheit des geistigen Lebens 
so sehr die Hauptsache, daß man die Meisterschaft in einer einzelnen 
Kunst auf Kosten jener Freiheit nicht erkaufen wollte; Gesang und 
Saitenspiel, als ein besonderer Lebensberuf aufgefaßt, galt schon für 
Unfreiheit, für eine „begrenzte Sklaverei." 
Die Pflege der Muße war eine öffentliche Angelegenheit. Für 
die Muße des Volks hat die Architektur die großartigsten Werke er¬ 
richtet, die Theater, Stadien und Hippodrome, die parkartigen Gym¬ 
nasien und die Marmorhallen an den Märkten, wo die Bürger 
zwischen Statuen und historischen Wandgemälden in traulichem Ge¬ 
spräche auf und nieder wandelten. 
Auch die bildende Kunst konnte nichts Anmutenderes darstellen, 
als den Genuß der Muße, sei es in den Gestalten der Olympier, der 
„leicht lebenden," welche in seliger Ruhe neben einander lagern, oder 
in der Gemeinschaft der Bürger an ihren großen Jahresfesten. In 
Satyrgestalten stellte sie die niedrige Art der Muße dar, das gedanken¬ 
lose Hinträumen im Waldesschatten oder am plätschernden Brunnen, 
das äoles far niente des südlichen Naturmenschen, und die höhere
	        
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