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Charlotte Duncker.
Steigerung der Spannkraft, welche die Situation hervorruft, meint
vielleicht nur, er habe standhalten müssen, weil er eben einmal im
Zuge war. Nicht immer wird den auserwählten Rüstzeugen das
schwerste aller Hindernisse, der Zweifel an ihrer Sendung, erspart. Die
Kämpfe, welche Martin Luther zu bestehen hatte, bevor er sagen konnte:
hier stehe ich, ich kann nicht anders — sind nicht der kleinste Teil des
mit seiner Sendung verbundenen Leidens. Der Sieg der Mission über
das innere Zagen wird aber auch von solchen, welche nicht wie er
in frommer Zwiesprache mit ihrem Gott zu leben gewohnt sind, weniger
als ein Entschluß, denn als das Erleiden einer zuvor schon
fertigen Entscheidung empfunden; ehe diese mit völliger Evidenz sich
ihnen enthüllte, waren sie vielleicht unruhig und gedrückt; sobald die
Begeisterung ihrer Herr geworden, fühlten sie nicht mehr so sehr die
Schwere als die Notwendigkeit ihrer Aufgabe; sie wuchsen mit ihren
Zwecken; wer aber hätte je sein Wachsen als sein eigenes Werk em¬
pfunden ? $
Die Begeisterung, deren es bedarf, um die Arbeit und die Ver¬
antwortung einer großen politischen, sozialen oder kulturgeschichtlichen
Wendung zu tragen, die durch eine Handbewegung, durch einen Parole¬
befehl, durch ein zündendes Wort oft unwiderruflich herbeigeführt wird,
ist von ganz anderem sittlichem Belang, fordert einen größeren geistigen
Horizont und eine unbedingtere Hingabe des ganzen Menschen als die
Begeisterung, aus welcher ein Werk der Kunst, eine Entdeckung der
Wissenschaft geboren wird. Es ist ein anderes, ob ein Raphael „una
certa idea“ in sich walten fühlt, welche ihn nötigt, die Gebilde der
Natur, nach denen er malt, in eine höhere Sphäre zu rücken; ob ein
Mozart sich dazu bekennt, daß in den Augenblicken des Schaffens die
Motive auf ihn zuschweben, aus denen er nur das schönste zu wählen
hat; oder ob ein politischer oder religiöser Reformator über den
Bildungen, zu deren Zerstörung er sich berufen hält, so klar und sicher
die neue Schöpfung erblickt, deren Stunde er heranführen soll, daß er
mit gutem Gewissen den zündenden Brand an das alte Gebäude zu
legen und unbeirrt die zagenden, die höhnenden, die drohenden, die
brechenden Blicke derer zu tragen vermag, welche seiner Sendung zum
Opfer fallen.
Aber die Heroen des geistigen Schaffens und die Heroen der That
sehen einander mit einem Blick des Verständnisses an, welcher nicht
ihren Werken, sondern jenem Einssein mit der Gottheit gilt, welches
sie als Begeisterte erfahren und erlitten haben. Nur große und reine
schöpferische Motive vermögen zu begeistern; nicht Gottlosigkeit begeistert,
sondern Glaube, nicht Haß begeistert, sondern Liebe, nicht Habsucht,
sondern Erbarmen, nicht Ehrgeiz, sondern Ehrgefühl, nicht Eroberungs-