Martin Luther.
1. Martin Luther (geb. 10. Nov. 1483, gest. 18. Febr. 1546) ist als
Schriftsteller nicht bloß durch den Inhalt seiner Werke bedeutend geworden,
sondern auch durch seine Darstellung, seine Sprache. „Alles, was er schrieb,
trägt das Gepräge künstlerischer Vollendung: Klarheit der Form, Übersichtlichkeit
der Anlage, Reichtum der Anschauung, treu und innig durchblickendes Gemüt."
Am großartigsten zeigt sieb seine Genialität in der Bibelübersetzung;
diese wurde 152 L begonnen; 1522 erschien das neue Testament, 1523 die
fünf Bücher Moses, 1524 der Psalter, 1534 die erste Ausgabe der gesamten
Bibelübersetzung. Von seinen übrigen Prosaschriften find die bedeutendsten:
A n den cf) r i ft s. Adel deutscher Nation von des ch r i st l. Stand es Bes¬
serung 1520. Von den geistlichen und Klostergelübden 1522. Treue
Ermahnung an alle Christen sich vor Anfruhr und Emp örung zu
hüten 1522. An die Bürgermeister und Ratsherren aller Städte
deutschen Landes, daß sie christliche Schulen aufrichten und halten
sollen 1524. Der deutsche Katechismus 1529.
2. Luther ist der Begründer des evangelischen Kirchenliedes. Er
hat das Kirchenlied freilich nicht geschaffen; schon vor ihm gab es geistliche
Lieder, die vom Volke gesungen wurden, und es werden schon vor Luther eine
Reihe von Dichtern solcher Lieder namhaft gemacht. Aber Luther hat das
Verdienst, daß er die volkstümliche Bedeutung des Kirchenliedes erfaßte und es
zu einem wesentlichen Teile der kirchlichen Liturgie erhob. Dann hat er durch
seinen Vorgang überhaupt eine lebhafte Pflege des Kirchenliedes bei allen Kon¬
fessionen, namentlich aber in der protestantischen Kirche, hervorgerufen. Es er¬
wachte ein großer Wetteifer in Abfassung und Bearbeitung geistlicher Lieder,
deren Zahl wie die der Gesangbücher im 16. Jahrhundert außerordentlich wuchs Z.
Von den 36 Kirchenliedern, welche Luther verfaßte, sind nur fünf ganz
selbständig gebildet; die übrigen sind zum größeren Teile entweder Übersetzungen
oder Überarbeitungen lateinischer Kirchengesänge oder alter deutscher geistlicher
Volkslieder; einige sind Bearbeitungen von Psalmen oder einzelnen Bibelstellen.
1. D e r P s a l in:
1. Aus tiefer not schrei ich zu dir,
Herr Got, erhör mein rufen!
dein gnedig oren ker zu mir
und meiner bit sie offen!
denn so du das wilt sehen an,
wie manche sünd ich hab getan,
wer kan, Herr, für dir bleiben?
2. Es stet bei deiner macht allein,
die fünden zu vergeben,
daß dich fürcht beide groß und klein,
auch in dem besten leben,
darum auf Got wil hoffen ich,
mein Herz auf in soll laßen sich,
ich wil seins Worts erharren.
De profundis.
3. Und ob es wert biß in die nacht
uno wider an den morgen,
doch sol mein herz an Gottes macht
verzweifeln nit noch sorgen,
so tu Israel rechter art,
der aus dem geist erzeuget wart,
und feines Gots erharre.
4. Ob bei uns ist der fünden vil,
bei Got ist vil mer gnaden;
sein Hand zu helfen hat kein zil,
wie groß auch fei der schaden,
er ist allein der gute Hirt,
der Israel erlösen Wirt
aus seinen fünden allen.
0 Das erste evang. Gesangbuch erschien 1524, das erste kathol. (von Mich. Vehe) 1537.