Full text: Deutsche Dichtung in der Neuzeit (Abt. 2)

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StillingZ. Die Schriftsteller, für welche die Freunde schwärmten, waren 
Homer, Shakespeare und Ossian. Zn allen diesen Anregungen kam nun noch 
das Verhältnis des Dichters zu Friderike Brion, der Tochter des Pfarrers 
von Sessenheim. Nachdem Gvthe im August 1771 promoviert hatte, ging er 
wieder ans kurze Zeit nach Frankfurt. Damals machte er die Bekanntschaft 
des Kriegsrates Joh. Heinr. Merck (1741—1791), welcher für ihn durch 
die geistreiche Schärfe der Kritik bedeutungsvoll wurde. Im Frühjahr 1772 
ging Gvthe nach Wetzlar, um sich dort nach seines Vaters Wunsch mit dem 
deutschen Staats- und Civilrecht bekannt zu machen; doch trieben ihn die Ver¬ 
hältnisse noch im selben Jahre wieder nach Frankfurt zurück. Hier erschien 
1773 sein Schauspiel: „Götz von Berlichingen", welches Göthes Dichter¬ 
ruhm begründete; 1774 folgte der Roman: „Die Leiden des jungen 
Werther". Um diese Zeit lernte er mehrere bedeutende Persönlichkeiten 
kennen, welche ans ihren Reisen in seines Vaters Hanse willkommene Gäste 
waren, unter anderen Klopstock, LavaterH, die beiden Grasen Stolberg 
und Friedr. Heinr. JakobiH. Am folgenreichsten für ihn aber war die 
Bekanntschaft mit dem Erbprinzen Karl August von Weimar, der ihn 
zuerst in Frankfurt, dann in Karlsruhe sah (Gvthe war damals mit den Ge¬ 
brüdern Stolberg ans einer Reise in die Schweiz begriffen) und ihn zu einem 
Besuche in Weimar einlud. — Am 7. Nov. 1775 traf Gvthe in Weimar ein. 
Hier wurde er bald der Mittelpunkt des geistreichen Kreises, den die Herzogin 
Mutter und ihr Sohn um sich sammelten. Zu diesem Kreise gehörte außer 
Wieland: Karl Ludwig von Knebel, der Erzieher des jüngeren Prinzen 
Konstantin, der Märchendichter Mnsäus, der Kabinetssekretär Friedr. Justin 
Bertnch, die Kammerherren Friedr. Hildebrand von Einsiedel und Siegis- 
ninnd von Seckendorfs; 1776 wurde Herder berufen, und 1799 verlegte 
auch Schiller seinen Wohnsitz nach Weimar. Zwischen Gvthe und dem Herzog 
entwickelte sich bald ein Verhältnis der innigsten Freundschaft, und der letztere 
wußte seinen Freund durch eine feste Anstellung an seinen Hof zu fesseln. 
Gvthe wurde 1776 Legationsrat, 1779 Geheimrat, wurde 1782 geadelt und 
gleich daraus zum Kammerpräsidenten ernannt. Trotz seiner vielen Amts¬ 
geschäfte erlahmte Göthe in seiner dichterischen Thätigkeit nicht; es fallen in 
diese Zeit seine ersten Versuche im Epigramm und in der Romanze, Hymnen 
und Oden sowie die aus Anlaß einer Reise nach der Schweiz (1779) geschrie¬ 
benen „Briese aus der Schweiz." Da er sich aber nicht mit voller Kraft der 
Dichtkunst widmen konnte, auch in seinen Mußestunden durch vielerlei Zer¬ 
streuungen in Anspruch genommen >var, so mußte er mehrere Werke, die er 
begonnen hatte, unvollendet lassen; darüber entstand in ihm ein Zweifel an 
seinem Dichterberuf, und er wandte sich den Naturwissenschaften zu, fand sich 
aber auch durch diese nicht befriedigt. Aus diesem Zustand rettete ihn eine 
Reise nach Italien, die er im September 1786 antrat. Hier gediehen unter 
') Geb. 1741 als Sohn armer Köhler im Dorfe Gmünd im Nassauischen, lernte 
das Schneiderhandwerk, wurde Schullehrer, studierte 30 Jahre alt Medizin; später 
Hofrat und Professor zu Heidelberg, gest. 1817 zu Karlsruhe. Schrieb: „Heinrich Stillings 
Jugend, eine wahrhafte Geschichte" 1777. — 2) Joh. Kasp. Lavater, geb. 1741 in 
Zürich, Prediger daselbst, gest. 1801. Schrieb unter andern:: „Physiognomische Frag¬ 
mente zur Beförderung der Menschenkenntnis und Menschenliebe" 1775—78. — 3) Bruder 
des Dichters Joh. Georg Jakobi. Vgl. S. 82.
	        
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