Full text: Deutsche Dichtung in der Neuzeit (Abt. 2)

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zeit die sogenannten „Schicksalstragödien" 
hervor, in denen der Mensch als Spiel¬ 
ball eines völlig blinden Fatums er¬ 
scheint, eines blinden Schicksalsschlusses, 
der sich rein äußerlich an das Leben 
eines Menschen heftet. (Dahin gehören: 
„Der 24. Februar" von Zach. Werner, 
„Die Schuld" von Ad. Müllner, „Die 
Ahnfrau" von Grillparzer und „Das 
Bild" von Houwald.) 
2. Die Komödie. 
1. Die Komödie zeigt uns den Menschen 
in den heiteren Verwickelungen von Absicht 
und Zufall i), in denen er das Schicksal zu 
lenken glaubt, aber imgrunde selbst gelenkt 
wird. Gegen Zufall und Intrigue, die nie¬ 
deren Mächte des Menschenlebens, führt der 
Held der Komödie seinen Kampf für einen 
rein äußerlichen Zweck, mag dieser ein an 
sich erstrebenswerter oder der Vorteil ein 
erträumter, der Gewinn ein rein schein¬ 
barer sein. In diesem Kampfe erreicht 
er entweder seinen Zweck, oder er wird 
darum betrogen und durch eine ihn zu 
friedenstellende Entschädigung abgefunden. 
Das Hauptstreben der Komödie geht dahin, 
den Thoren als klug und den Klugen als 
Thoren so lange erscheinen zu lassen, bis 
das Luftschloß der Thorheit in sich selbst 
zusammenbricht. Sie zeigt uns die Welt- j 
anschauung des Humoristen, und Witz und 
Humor sind die Seele der Komödie. 
2. Nach den Gattungen des Komischen 
läßt sich die höhere und die niedere 
Komödie unterscheiden. Die letztere, auch 
Posse genannt, umfaßt die Burleske 
und Humoreske; die erstere das sati¬ 
rische und das humoristische Lustspiel. 
Der Form nach ist die Komödie entweder 
Charakterlustspiel oder Jntriguen- 
lustspiel, je nachdem die komischen Cha¬ 
raktere oder die komischen Situationen die 
Hauptrolle spielen; dem Stoff nach kann 
man das idealistische und das reali¬ 
stische Lustspiel unterscheiden, je nachdem 
der Stoff dem Reiche der Phantasie (vgl. 
Shakespeares „Sommernachtstraum" und 
die sogenannten „Zauberpossen") oder aber 
der wirklichen Welt entnommen ist; die 
realistischen Lustspiele zerfallen dann wieder 
in historische Lustspiele, welche der Ge¬ 
schichte, und in sogenannte Konversa¬ 
tionsstücke, welche dem Leben der Ge¬ 
genwart entlehnt sind. 
Zusatz. In dem sogenannten musikalischen 
Drama, der Oper und der Kantate, nimmt 
die Musik eine so vorwiegende Stelle ein 
und ist bis dahin so wenig wahrhaft 
Poetisches geschaffen, daß an dieser Stelle 
von einer näheren Betrachtung dieser 
Gattung abgesehen werden kann. 
*) Damit steht, was oben über den Zufall im Drama gesagt ist, nur in schein¬ 
barem Widerspruch, indem der Zufall in der Komödie durchaus nicht als Willkür, 
sondern als ein vom Dichter mit Absicht und planvoll angelegter Schachtzug erscheint, 
der gleichsam die Rolle eines advocatus diaboli übernimmt.
	        
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