Full text: Deutsches Lesebuch für Prima

Ursprung der Sprache. 
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dauern wird, zur Ausführung gelangen dürfte, weil sich zahllose Hindernisse 
entgegenstemmen müßten, könnte die Sprachforschung unmittelbare Be¬ 
stätigung dessen entnehmen, was sie aus andern Gründen zu folgern berech¬ 
tigt ist. 
Ich nähere mich meiner eigentlichen Aufgabe oder doch dem für die 9 
meisten meiner Zuhörer anziehendsten Teil derselben, welcher auf die Frage 
Antwort geben soll, wie man sich zu denken habe, daß die ersten Menschen 
die Erfindung ihrer Sprache bewerkstelligten. 
Vorausgeschickt werden muß jedoch in aller Kürze, ob, ganz abgesehen 10 
von dem hier noch bei Seite bleibenden Problem, inwiefern die grund¬ 
verschiedenen Sprachen der Erde auf eine erste Bildung oder nur auf meh¬ 
rere Bildungen sich zurückführen lassen, ob man auch da, wo eine einzige, 
weit verbreitete und hernach in viele Äste zerfallende Ursprache vorliegt, unr¬ 
ein Menschenpaar oder mehr als eins anzusetzen habe, durch welches sie her¬ 
vorgebracht und fortgepflanzt worden sei? 
Das ist anzunehmen, daß Mann und Weib zusammen, vollwüchsig und 11 
zeugungsfähig erschaffen wurden, denn nicht setzt der Vogel das Ei, die 
Pflanze den Samen, sondern das Ei den Vogel voraus, das Korn die Pflanze; 
Kind, Ei, Samenkorn sind Erzeugnisse, folglich unurerschaffen: der erste 
Mensch war also nie Kind, doch das erste Kind hatte einen Vater. Wer 
wollte glauben, daß aus unerschaffenen sich aneinander fügenden, ineinander 
wirkenden Elementen eine geheime stumme Gewalt sich allmählich zum Leben 
hinaufgerungen hätte? Das belebende Band, mit dessen Schwinden jedes¬ 
mal das Leben in die toten Stoffe zurückweicht, muß doch vorausgegangen sein. 
Aber daß von jedem Tier, von jedem Kraut nur ein Paar, nicht mehrere 
nebeneinander erschaffen worden, daß alle Gräser in ihrer Fülle aus eines 
Halmes Wucher vervielfacht seien, hat wenig für, mehr gegen sich. Die ein 
Paar entstehen lassende schöpferische Kraft konnte unbehindert auch mehrere 
zusammen schaffen, wie sie schon im ersten Paar das Gleichartige zweimal 
hervorzubringen genötigt war. Gegen den Ausgang der gesamten Tiermenge 
aus einem Paar jeder Gattung hat man auch nicht ohne Schein den Gesell- 
schaftstrieb der Ameisen und Bienen eingewandt, der ihnen muß angeboren 
gewesen, nicht allmählich entwickelt sein, folglich nicht erst aus die entwickelte 
Menge gewartet haben kann. Auf den Menschen und die Sprache angewandt 
ist es sogar wahrscheinlich, daß mehr als ein Paar erschaffen wurde, schon 
ans dem natürlichen Grunde, weil die erste Mutter möglicherweise lauter 
Söhne oder lauter Töchter hätte gebären können, wodurch alle Forterzeugung 
gehindert worden wäre, noch mehr aus dein sittlichen, um Vermischung von 
Geschwistern, wovor die Natur ein Granen hat, zu verhüten. Die Bibel 
Cauer, Teutsches Lesebuch. 15
	        
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