Balladen 
77 
„Wann es geht gegen dem Sommer 
will ich Herwider kommen; 
iS wann alle beumlein tragen laub, 
so schauw auf mich, du schöne jungfrau!" 
„Wen setzstu mir zu einem bürgen?" 
„den heiligen ritter sant Jörgen; 
so trauw ich meinem bürgen so wol, 
20 daß ich bald wider kommen sol." 
„Es get wol gegen dem sommer, 
mein feins lieb will nicht kommen." 
sie gieng spazieren vor dem holz, 
begegnet ir ein ritterlin stolz. 
25 „Gott grüß euch, jungfrau reine! 
was macht ir hie alleine? 
ist euch eur vatter und müter so gram 
oder habt ir heimlich einen man?" 
„Vatter und müter ist mir nicht gram, 
38 heimlich hab ich wol einen man, 
dort under der linden also breit 
da schwur er mir einen hohen eid." 
„Hat er euch ein eid geschworen, 
wann habt ir in verloren?" 
35 „so ist es heut ein ganzes jar 
daß ich mein lieb verloren hab." 
„Was wolt ir im entbieten? 
ich komm erst von im geritten, 
so ist es doch heut der neunte tag 
48 daß man im ein jungfreulin gab." 
„Hat man im ein jungfreulin geben, 
so will ich beweinen mein junges leben; 
weil er mir nicht kan werden zu teil, 
so wünsch ich im vil glück und heil. 
¿6 Und kan er mir nicht werden 
der liebste auf diser erden, 
so wil ich mir brechen meinen müt 
gleich wie das turtelteublein tut. 
Es setzt sich auf ein dürren äst, 
so das irret weder laub noch gras, 
und meidet das brünnlin küle 
und trinket das waßer trübe." 
Was zog er ab der hende sein? 
von rotem gold ein vingerlein: 
„sehnd hin, schöne jungfrau,das solt ir haben, 
eur feins lieb solt ir nicht lenger klagen!" 
Sie warf den ring wol in ihr schoß, 
mit heißen tränen sie in begoß; 
sie sprach: „den ring will ich nicht haben, 
mein feins lieb will ich lenger klagen." 
Da zog er ab sein seidenhüt, 
erst kennet in die jungfrau güt: 
„bis gott Willkomm, du schöns mein lieb! 
wie lang ließt mich in trauern hie!" 
„Da tet ich dich versüchen 
ob du mir tätest flüchen, 
und hütest du mir ein flüch getan, 
so wär ich geritten wider darvon. 
Da du mir nicht tetst flüche 
da erfreut sich mein gemüte, 
du machst mein herz ganz freuden vol, 
du erfreust mich daß ich dich haben sol." 
o) Zwei Wasser.*) 
A. 
Elslein, liebstes Elslein mein, 
wie gern wär ich bei dir! 
so rinnen zwei tiefe waßer 
wol zwischen dir und mir. 
„Das bringt mir großen schmerzen, 
herzallerliebster gsell! 
red ich von ganzem herzen, 
Habs für groß ungefell." 
*) [2)ie zwei Königskinder.j (Ballade.) 
(Lesart aus Ostfriesland um 1841.) 
Der wassen twee königskinder, 
dee hadden eenander so leev; 
bi'n ander kunnen se nich kamen: 
dat water was völs to breed. 
„Du kannst ja good swemmen, min leeve, 
so swemme Herover to mi: 
d) 50. keine Freude stört ihre Trauer. 53. hende mhd. Gen. und Dat. von Hand. 
e) A. 8. Mißgeschick.
	        
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