Xin, Geistliche Lyrik.
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4. Sieh, von Dornen ist die Krone,
Die in bitterm Sündenhohne
Ward gestochten Gottes Sohne.
5. Und du könntest, festgehalten
Von den irdischen Gewalten,
Solcher Liebe noch erkalten,
6. Die mit ausgespannten Armen
Ruft in göttlichem Erbarmen:
Sollst an meiner Brust erwärmen *) !
L. B. v. d. Bordes.
236, Ostermorgen
1. Die Lerche stieg am Ostermorgen
Empor ins klarste Luftgebiet 2),
Und schmettert' hoch im Blau verborgen
Ein freudig Auferstehungslied.
Und wie sie schmetterte, da klangen 3)
Es tausend Stimmen nach im Feld:
Wach auf, das Alte ist vergangen,
Wach auf, du froh verjüngte Welt!
2. Wacht auf, und rauscht durchs Thal,
ihr Bronnen,
Und lobt den Herrn mit frohem Schall!
Wacht auf, im Frühlingsglanz der
Sonnen,
Ihr grünen Halm und Blätter all!
Ihr Veilchen in den Waldesgründen,
Ihr Primeln weiß, ihr Blüten roth,
Ihr sollt es alle mit verkünden:
Die Lieb ist stärker als der Tod.
3. Wacht auf, ihr trägen Menschen¬
herzen,
Die ihr im Winterschlase säumt,
In dumpfen Lüsten) dumpfen Schmerzen
Gebannt ein welkes Dasein träumt;
Die Kraft des Herrn weht durch die
Lande
Wie Jugendhauch, o laßt sie ein'
Zerreißt wie Simson eure Bande,
Und wie die Adler sollt ihr sein 4)!
4. Wacht auf, ihr Geister, deren Sehnen
Gebrochen an den Gräbern steht,
Ihr trüben Augen, die vor Thränen
Ihr nicht des Frühlings Blüten seht;
Ihr Grübler, die ihr fern verloren
Traumwandelnd irrt auf wüster Bahn —
Wacht auf, die Welt ist neugeboren;
Hier ist ein Wunder, nehmt es an!
5. Ihr sollt euch all des Heiles freuen,
Das über euch ergossen ward,
Es ist ein inniges Erneuen
Im Bild des Frühlings offenbart.
Was dürr war, grünt im Wehn der
Lüste,
Jung wird das Alte fern und nah,
Der Odem Gottes sprengt die Grüfte —
Wacht auf! Der Ostertag ist
da!»)
Emanuel G e i b el.
237. Osterlied.
1. Vom Osten rauscht ein Engelpaar
Auf morgenrothem Flügel»)
Heran: es flieht der Hüters Schar,
Es zittert Thal und Hügel.
2. O Tod, todt bist du für und für»).
Ein Sturm der Allmacht wehet:
1) Eine tief ergreifende Erklärung dessen, was das Kruzifix zu uns spricht. — 2) Luft¬
gebiet, Jugend hauch (Str. 3), traumwandelnd (Str. 4) sind neue Wortbildungen, die
zur Zeit noch in unsern Wörterbüchern fehlen. — 3) Das trans. nachklingen ist selten. —
4) Jsaias 40, 31: „Die auf den Herrn hoffen, erneuern ihre Kraft, befiedern sich wie Adler,
laufen und werden nicht müde. — 5) Die Lerche sang am Ostermorgen ein Anferstehungslicd, und
tausend Stimmen im Felde wiederholten es: wache auf, verjüngte Welt!(1.) Wachetauf, ihr
Bronnen und Blumen und lobet den Herrn (Pf. 148): verkündet es, daß Gottes Liebe zu seinen Ge¬
schöpfen stärker ist als der Tod (2). Wachet auf, ihr trägen Menschen, aus euern dumpfen (nur
dunkel empfundenen, nicht klar ins Bewußtsein hervortretenden) Lüsten und Schmerzen. Die Kraft
des Herrn weht durch die Lande, laßt sie bei euch ein! Seid stark wie Simson, stark wie die Adler! (3.)
Wachet auf, ihr Trauernden, die ihr hoffnungslos (gebrochen) an den Gräbern eurer Lieben stehet und
weinet, betrachtet den Frühling! Wachet auf, ihr Grübler, die ihr im Zweifel seid über Auferstehung
und Unsterblichkeit, über die Möglichkeit von Wundern: hier ist ein Wunder! (4.) Freuet euch alle des
Heiles, das euch geworden. Frühling und Auferstehung weisen auf einander hin: jener ist ein Bild,
ein Beweis von dieser. S. Nr. 77.S. 199. — 6) „Und siehe, es geschahen: großes Erdbeben; denn
ein Engel des Herrn stieg vom Himmel herab, trat hinzu, wälzte cheu Stein weg und setzte sich
darauf. Matth. 28, 2.—7. Am Grabe des Heilandes. — 8) Der Heiland hat den durch die Sünde
verursachten Tod durch seinen Tod am Kreuze besiegt. Für und für = fort und fort, immer¬
fort; für — vor.