Full text: [Teil 7 = (Für Prima)] (Teil 7 = (Für Prima))

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Von dem Neuen, von dem Ungewöhnlichen, von dem Unverstandenen 
geht aller Reiz zur Umbildung der Gedanken aus. Wunderbar erscheint das 
Neue dem, dessen ganzes Denken hierdurch erschüttert wird und in gefährliches 
Schwanken gerät. Allein das Wunder liegt niemals in der Tatsache, sondert: 
immer nur im Beobachter. Der stärkere intellektuelle Charakter strebt sofort 
nach einer entsprechenden Umbildung der Gedanken, ohne dieselben ganz aus 
ihrer Bahn drängen zu lassen. So wird die Wissenschaft zur verderblichen 
Feindin des Wunderbaren, und das erregte Erstaunen weicht bald einer nötigen 
Aufklärung und Enttäuschung. 
Betrachten wir nun einen solchen Umwandlungsprozeß der Gedanken 
im einzelnen. Das Sinken der schweren Körper erscheint als gewöhnlich und 
selbstverständlich. Bemerkt man aber, daß das Netz aus dem Wasser schwimmt, 
die Flammen, der Rauch in die Luft aufsteigen, so weicht der Gegensatz dieser 
Tatsachen. Eine alte Lehre sucht dieselben zu erfassen, indem sie das dem 
Menschen Geläufigste, den Willen, in die Körper verlegt und sagt, daß jedes 
Ding seinen Ort suche, das schwerere unten, das leichtere oben. Bald zeigt es 
sich aber, daß selbst der Rauch ein Gewicht hat, daß auch er seinen Ort unten sucht, 
daß er von der abwärtsstrebenden Luft nur aufwärts gedrängt wird, wie das 
Holz vom Wasser, weil dieses stärker ist. 
Wir sehen nun einen geworfenen Körper. Er steigt aus. Wie kommt es, 
daß er seinen Ort nicht mehr sucht? Warum nimmt die Geschwindigkeit seiner 
„gewaltsamen" Bewegung ab, während jene des „natürlichen" Falles zunimmt? 
Folgen wir aufmerksam beiden Tatsachen, so löst sich das Problem von selbst. 
Wir sehen mit Galilei in beiden Fällen dieselbe Geschwindigkeitszunahme gegen 
die Erde. Also nicht ein Ort, sondern eine Beschleunigung gegen die Erde 
ist den Körpern angewiesen. 
Durch diese Gedanken werden die Bewegungen schwerer Körper voll¬ 
kommen geläufig. Die neue Denkgewohnheit festhaltend, sieht nun Newton 
den Mond und die Planeten ähnlich geworfenen Körpern sich bewegen, aber 
doch mit Eigentümlichkeiten, die ihn nötigen, diese Denkgewohnheit abermals 
etwas abzuändern. Die Weltkörper oder vielmehr deren Teile halten keine 
konstante Beschleunigung gegeneinander ein, sie „ziehen sich an" im verkehrt 
quadratischen Verhältnis der Entfernung und im direkten der Massen. 
Diese Vorstellung, welche jene der irdischen schweren Körper als be¬ 
sonderen Fall enthält, ist nun schon sehr verschieden von der, von welcher wir 
ausgingen. Wie beschränkt war jene und welcher Fülle von Tatsachen ist diese 
angepaßt. Und doch steckt in der „Anziehung" noch etwas von dem „Suchen des 
Ortes". Und töricht wäre es, diese „Anziehungsvorstellung", welche unsere 
Gedanken in so längst geläufige Bahnen leitet, welche wie die historische Wurzel 
der Newtonschen Anschauung anhaftet, als müßte dieselbe eine Andeutung 
ihres Stammbaumes bei sich führen, ängstlich vermeiden zu wollen. So fallen 
die genialsten Gedanken nicht vom Himmel, sie entstehen vielmehr aus schon 
vorhandenen. ñeom-^ckort-lnsllvñ 
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