Full text: [Teil 7 = (Für Prima)] (Teil 7 = (Für Prima))

V v v w o r t 
Auf der oberen Stufe bildet das Lesebuch nicht mehr den Mittelpunkt, 
sondern nur noch eine Ergänzung der Schullektüre. Für seine erste Aufgabe, 
die Behandlung der klassischen Dichtung, ist der deutsche Unterricht nicht 
auf dasselbe angewiesen; er verwendet besser und bequemer die zahlreich vor¬ 
handenen Einzelausgaben der klassischen Dichter. Unternimmt es der Lehrer 
jedoch, wie er das stets sollte, diese Aufgabe zu erweitern und zu einem Ver¬ 
ständnis der deutschen Geistesentwicklung in ihren allgemeinen Zügen vor¬ 
zudringen, so muß er auf Schritt und Tritt die Ergebnisse anderer Lehrfächer 
und die Privatlektüre der Schüler heranziehen, zu der er nur die Anregung 
und die allgemeinen Gesichtspunkte geben kann. Hier vor allem wird ihm das 
Lesebuch zu Hilfe kommen, indem es die Verbindung der übrigen Lehrfächer 
mit der deutschen Lektüre herstellt und somit die Einheit der Bildung anbahnen 
hilft, die das letzte Ziel des höheren Unterrichts ist. Um dieser Ausgabe zu 
genügen, wird es zunächst die wichtigsten Erscheinungen und Entwicklungen 
auf dem Gebiete der Geschichte und zurnal der Geistesgeschichte durch Lese¬ 
stücke berücksichtigen müssen, welche geeignet sind, das Werden und das Wesen 
der modernen, insbesondere der deutschen Kultnr gleichsam von innen heraus 
zum Verständnis zu bringen. 
Allein die Einheit der modernen Bildung beruht nicht bloß aus der 
geschichtlichen Entwicklung; sie ist in dem allgemein gültigen sachlichen Zu¬ 
sammenhang begründet, der die verschiedenen Wissensgebiete umfaßt und 
zu einer großen Weltansicht zusammenschließt: wenigstens einen Ausblick in 
diesen Zusammenhang sollte die höhere Schule ihren Zöglingen vermitteln. 
Um dies Ziel zu erreichen, würde es freilich eines propädeutischen Unterrichts 
in der Philosophie bedürfen, und einem solchen kann — ganz abgesehen davon, 
daß es nach den heute geltenden Lehrplänen an Raum dafür fehlt — das 
deutsche Lesebuch nicht so nebenbei zur Grundlage dienen. Wohl aber kann 
es eine Art Propädeutik der Propädeutik geben, die nicht minder notwendig 
ist: es braucht jenen Zusammenhang nicht durch philosophische Lesestücke 
zum Ausdruck zu bringen, aber die Lesestiicke, die es enthält, müssen in 
philosophischem Geiste gedacht sein. Das einzelne muß in seinem allgemeinen 
Zusammenhang erscheinen und unter allgemeinen Gesichtspunkten verstanden 
und gewürdigt werden, die großen Gebiete der Geistes- und der Natur¬ 
wissenschaft müssen in ihrer Eigenart und in ihrer Bedeutung hervortreten. 
Diesen Grundsätzen entsprechend ist der vorliegende letzte Teil unseres 
Lesebuchs angelegt. Er strebt, den Prosateil des Obersekundabandes weiter-
	        
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