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Als ich die Augen aufschlug, stand der Wagen still unter hohen 
Lindenbäumen, hinter denen eine breite Treppe zwischen Säulen in ein 
prächtiges Schloß führte. Seitwärts durch die Bäume sah ich die Türme 
von Wien. Die Damen waren, wie es schien, längst ausgestiegen, die 
Pferde abgespannt. Ich erschrak sehr, da ich auf einmal so allein saß, 
und sprang geschwind in das Schloß hinein, da hörte ich von oben aus 
dem Fenster lachen. 
In diesem Schlosse ging es mir wunderlich. Zuerst, wie ich mich in 
der weiten, kühlen Vorhalle umschaue, klopft mir jemand mit dem Stocke 
auf die Schulter. Ich kehre mich schnell um, da steht ein großer Herr 
in Staatskleidern, ein breites Bandelier von Gold und Seide bis an die 
Hüften übergehängt, mit einem oben versilberten Stabe in der Hand und 
einer außerordentlich langen, gebogenen kurfürstlichen Nase im Gesicht, 
breit und prächtig wie ein aufgeblasener Puter, der mich frägt, was ich 
hier will. Ich war ganz verblüfft und konnte vor Schreck und Erstaunen 
nichts hervorbringen. Darauf kamen mehrere Bediente die Treppe herauf 
und herunter gerannt, die sagten gar nichts, sondern sahen mich nur von 
oben bis unten an. Sodann kam eine Kammerjungfer (wie ich nachher 
hörte) gerade auf mich los und sagte, ich wäre ein scharmanter Junge, 
und die gnädige Herrschaft ließe mich fragen, ob ich hier als Gärtner¬ 
bursche dienen wollte? — Ich griff nach der Weste; meine paar Groschen, 
weiß Gott, sie müssen beim Herumtanzen auf dem Wagen aus der Tasche 
gesprungen sein, waren weg, ich hatte nichts als mein Geigenspiel, für 
das mir überdies auch der Herr mit dem Stabe, wie er mir im Vorbei¬ 
gehen sagte, nicht einen Heller geben wollte. Ich sagte daher in meiner 
Herzensangst zu der Kammerjungfer: Ja; noch immer die Augen von der 
Seite auf die unheimliche Gestalt gerichtet, die immerfort wie der Perpen¬ 
dikel einer Turmuhr in der Halle auf und ab wandelte und eben wieder 
majestätisch und schauerlich aus dem Hintergründe heraufgezogen kam. 
Zuletzt kam endlich der Gärtner, brummte etwas von Gesindel und 
Bauernlümmel unterm Bart und führte mich nach dem Garten, während 
er mir unterwegs noch eine lange Predigt hielt: wie ich nur fein nüchtern 
und arbeitsam sein, nicht in der Welt herumvagieren, keine brotlosen 
Künste und unnützes Zeug treiben solle, da könnt’ ich es mit der Zeit 
auch einmal zu was Rechtem bringen. — Es waren noch mehr sehr 
hübsche, gutgesetzte, nützliche Lehren, ich habe nur seitdem fast alles 
wieder vergessen. Überhaupt weiß ich eigentlich gar nicht recht, wie doch 
alles so gekommen war, ich sagte nur immerfort zu allem: Ja — denn 
mir war wie einem Vogel, dem die Flügel begossen worden sind. — So 
war ich denn, Gott sei Dank im Brote. — 
In dem Garten war schön leben, ich hatte täglich mein warmes Essen 
vollauf und mehr Geld, als ich zum Weine brauchte, nur hatte ich leider
	        
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