Ludwig Uhland.
185
7. Zu Reutlingen am Zwinger, da ist ein altes Tor,
Längst wob mit dichten Ranken der Efeu sich davor;
Man hatt' es schier vergessen; nun kracht's mit einmal auf,
Und aus dem Zwinger stürzet gedrängt ein Bürgerhaus.
8. Den Rittern in den Rücken fällt er mit grauser Wut,
Heut will der Städter baden im heißen Ritterblut.
Wie haben da die Gerber so meisterlich gegerbt,
Wie haben da die Färber so purpurrot gefärbt!
9. Heut' nimmt man nicht gefangen, heut' geht es auf den Tod,
Heut spritzt das Blut wie Regen, der Anger blümt sich rot.
Stets drängender umschlossen und wütender bestürmt,
Ist rings von Bruderleichen die Ritterschar umtürmt.
10. Das Fähnlein ist verloren, Herr Ulrich blutet stark;
Die noch am Leben blieben, sind müde bis ins Mark.
Da haschen sie nach Rossen und schwingen sich darauf.
Sie hauen durch, sie kommen zur festen Burg hinauf.
11. „Ach Alm," — stöhnt' einst ein Ritter, ihn traf des Mörders Stoß —
„Allmächtiger!" wollt' er rufen — man hieß davon das Schloß
Herr Ulrich sinkt vom Sattel, halbtot, voll Blut und Qualm;
Hätt' nicht das Schloß den Namen, man hieß' es jetzt Achalm.
12. Wohl kommt am andern Morgen zu Reutlingen ans Tor,
Manch trauervoller Knappe, der seinen Herrn verlor.
Dort auf dem Rathaus liegen die Toten all gereiht;
Man führt dahin die Knechte mit sicherem Geleit.
13. Dort liegen mehr denn sechzig, so blutig und so bleich;
Nicht jeder Knapp' erkennet den toten Herrn sogleich.
Dann wird ein jeder Leichnam von treuen Dieners Hand
Gewaschen und gekleidet in weißes Grabgewand.
14. Aus Bahren und auf Wagen, getragen und geführt,
Mit Eichenlaub bekränzet, wie's Helden Wohl gebührt,
So geht es nach dem Tore, die alte Stadt entlang;
Dumpf tönet von den Türmen der Totenglocken Klang.
15. Götz Weißenheim eröffnet den langen Leichenzug;
Er war es, der im Streite des Grafen Banner trug.
Er hatt' es nicht gelassen, bis er erschlagen war,
Drum mag er würdig führen auch noch die tote Schar.
16. Drei edle Grafen folgen, bewährt im Schildesamt,
Von Tübingen, von Zollern, von Schwarzenberg entstammt.
O Zollern, deine Leiche umschwebt ein lichter Kranz!
Sahst du vielleicht noch sterbend dein Haus im künft'gen Glanz?
17. Von Sachsenheim zween Ritter, der Vater und der Sohn,
Die liegen still beisammen in Lilien und in Mohn;
Auf ihrer Stammburg wandelt von alters her ein Geist,
Der längst mit Klaggebärden auf schweres Unheil weist.