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Heu und anderen Tier- und Pflanzenstoffen gefunden und erhielten deshalb
den Namen der Nufguß- oder Infusionstierchen. Gerade ein Jahrhundert
nach Leeuwenhoek fand sich ein Forscher in Dänemark, der zwölf Jahre
seines Lebens auf die Beobachtung dieser kleinsten Tiere verwendete, von
denen er in den süßen und Meergewässern von Kopenhagen an 380 ver¬
schiedene Urten benannte und abbildete. Im letzten Jahrhundert mehrte
sich in raschem Verhältnis die Zahl der Naturforscher, welche mit immer
vollkommneren Instrumenten in die unsichtbare Welt einzudringen suchten -
außer den zahlreichen Tiergeschlechtern wurde auch eine ganz eigentümliche
mikroskopische Flora entdeckt, deren Gestaltung und Entwicklung durchaus
verschieden ist von den sichtbaren Gewächsen, war Leeuwenhoek der Ko¬
lumbus dieser neuen Welt, so können wir Ehrenberg als den Humboldt der¬
selben bezeichnen- denn seit dem Jahre 1829 hat ein halbes Jahrhundert
lang Ehrenberg mit eisernem Fleiße deren verborgene Gebiete bis an die
äußersten Grenzen durchforscht und nicht bloß die mikroskopischen Wesen
gründlicher und getreuer als seine Vorgänger beschrieben, abgebildet und
geordnet sondern auch die ungeahnte Bedeutung enthüllt, welche den Ge¬
schöpfen der unsichtbaren Welt in der gesamten Naturordnung zukommt,
nicht bloß in der Gegenwart sondern auch in früheren geologischen Zeitaltern.
Jedermann weiß, in wie verschiedenen Größenverhältnissen das Leben
der sichtbaren Welt sich verkörpert. Zu den kleinsten Tieren, die das un¬
bewaffnete Buge noch unterscheidet, gehören die Nlilben, die im Käse oder
auf zuckerreichen Früchten oft in unzähligen Scharen nisten- ihre Größe
verhält sich zu der des Menschen etwa wie der Sperling zum Straßburger
Münster, von den Tierchen, die Leeuwenhoek entdeckte, gibt derselbe an,
daß ihre Größe sich zur Milbe verhalte wie die Biene zum Gaul. Je mehr
in den letzten Jahrzehnten die Mikroskope verbessert und ihre vergrößerungs-
kraft gesteigert wurde, desto kleinere Wesen wurden der scharfen Beobachtung
zugängliche denn unter den Tieren und Pflanzen der unsichtbaren Welt
finden sich noch ähnliche Größenunterschiede wie zwischen dem Hering und
dem Walfisch.
Je kleiner aber die Wesen, desto einfacher zeigte sich ihr Bau, desto
unvollkommener ihre Lebenstätigkeit, desto tiefer ihre Stellung in der Rang¬
ordnung der Geschöpfe. Unter den Tieren der mikroskopischen Welt sind
nur äußerst wenige, welche die Grganenfülle eines Insekts, eines Krebses,
selbst eines Wurmes besitzen- die eigentlichen Infusionstierchen stehen auf
der untersten Stufe des Tierreichs. Ebenso finden wir unter den mikro¬
skopischen Pflanzen keine einzige, welche den entwickelteren Bau der blühenden
Gewächse erreicht oder auch nur der tieferen Klasse der Farne angehört-
nur die niedersten Pflanzenformen, die wir gewöhnlich als Ulgen und
Pilze bezeichnen, bilden die Wälder und wiesen der unsichtbaren Welt.
Je mehr sich aber der innere Bau der mikroskopischen Wesen ver-