Full text: Deutsches Lesebuch für Obersekunda (Teil 7)

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Vibrio, die kurzen steifen Schrauben als Spirillum, endlich die langen bieg¬ 
samen Spiralen als Spirochaete bezeichnet. 
Fast alle Bakterien besitzen zwei verschiedene Lebenszustände, einen 
beweglichen und einen ruhenden. Unter gewissen Bedingungen sind sie 
außerordentlich lebhaft bewegt, und wenn sie in dichtem Gewimmel den 
Wassertropfen erfüllen, bieten die nach allen Richtungen durcheinander 
fahrenden Bakterien einen überaus fesselnden Unblick, den man mit einem 
Mückenschwarm oder Umeisenhaufen vergleichen kann. 
Fast alle älteren Beobachter haben die Bakterien als Tiere betrachtet, 
da ihre Bewegungen als willkürliche aufgefaßt wurden. Die gesamte Ent¬ 
wicklung der Bakterien macht es jedoch in höchstem Grade wahrscheinlich, 
daß sie ins Pflanzenreich gehören. Uuch wechselt bei den Bakterien mit 
dem beweglichen ein ruhender Zustand, wo sie von gewöhnlichen pflanzen- 
zellen sich durchaus nicht unterscheiden- sie schwärmen nur bei günstiger 
Temperatur, reicher Nahrung und Unwesenheit von Sauerstoff- unter un¬ 
günstigen Umständen sind sie bewegungslos. 
Wie alle lebenden Wesen, vermögen auch die Bakterien sich fortzu¬ 
pflanzen- diese Fortpflanzung beruht auf der (Huerteilung. Die Bakterie 
wächst, bis sie etwa das Doppelte ihrer ursprünglichen Größe erreicht 
hat- dann schnürt sie sich in der Mitte ein, wie eine 8, und zerbricht schließlich 
in ihre zwei Hälften, von denen jede in kurzer Zeit aufs neue sich in zwei 
Teile teilt. Wegen des raschen Verlaufs dieser Vorgänge findet man daher 
die Bakterien fast immer in der Vermehrung, in der Mitte eingeschnürt 
oder paarweise zusammenhängend. 
Je wärmer die Luft, desto rascher verläuft die Teilung der Bakterien, 
desto stärker ist ihre Vermehrung- bei niederer Temperatur wird sie lang¬ 
samer und hört in der Nähe des Gefrierpunktes gänzlich auf. Ts verlohnt 
wohl der Mühe, sich durch Rechnung eine Vorstellung von der unglaublichen 
Massenentwicklung zu machen, deren diese kleinsten aller Wesen unter 
günstigen Bedingungen durch ihre Vermehrung fähig sind. 
Wir nehmen an, daß eine Bakterie sich innerhalb einer Stunde in 
2, diese wieder nach einer Stunde in 4, nach Z Stunden in 8 teilen und 
so fort- nach 24 Stunden beträgt die Zahl der Bakterien bereits über 
I6V2 Millionen (16,777,220); nach 2 Tagen würde sie zu der ungeheuren 
Zahl von 281 Vs Billionen, nach 3 Tagen zu 47 Trillionen anwachsen; nach 
einer Woche würde ihre Anzahl sich nur durch eine Ziffer von 51 Stellen 
ausdrücken lassen. 
Um diese Zahlen leichter faßlich zu machen, wollen wir die Masse 
und das Gewicht berechnen, welches aus einer Bakterie infolge ihrer Ver¬ 
mehrung hervorgehen kann. Oie einzelnen Rörperchen der gemeinsten Art 
der Stäbchenbakterien (Bacterium Termo) haben die Gestalt kurzer Zylinder, 
von Vioo° Millimeter im Durchmesser und etwa 1/m Millimeter Länge.
	        
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