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die den Hellespont passierenden Schiffe drei Durchlässe. Schon war der
König im Begriff, mit dem Heere von Sardes aufzubrechen, als ein
heftiger Sturm beide Brücken auseinanderriß. Es war ein übler Unfall
gleich im Beginn; er bedrohte das Unternehmen mit einer bedenklichen
Verzögerung. Die ganze Wucht des königlichen Zornes fiel auf die Bau¬
meister; warum hatten sie, denen eine so lange Zeit zu Gebote gestanden,
die Brücken nicht fester gefügt? Lerxes ließ sie enthaupten und die Wieder¬
herstellung anderen Baumeistern übertragen. Sogar der Hellespont hatte,
wie Herodot erzählt, den Grimm des Königs zu erfahren. Man trieb
bei den Persern die bösen Geister durch Geißelhiebe aus; um dem Meere,
dem Geiste des Meeres seine üblen Gelüste auszutreiben, soll der König
dem Hellespont dreihundert Geißelhiebe erteilen und zwei Ketten in den¬
selben haben versenken lassen. Man hatte Arme und Schisse und, dank
der großen Umsicht, mit welcher die Vorbereitungen geleitet worden waren,
auch Vorrat von großen Tauen genug, um die Brücken schnell wieder¬
herzustellen. Sie wurden an derselben Stelle in derselben Konstruktion
wieder erneuert, nur daß das Tauwerk bedeutend verstärkt wurde. Für
die beiden neuen Brücken wurden se zwei Flachstaue und vier Byblos-
taue, so stark sie waren, zu einem großen Strang zusammengewunden.
Diese mächtigen, über die Schiffe gespannten Stränge erforderten dann
auch wieder stärkere Befestigungen an den Usern.
Es war Mitte April des Jahres 480, als der König von Sardes
ausbrach, nachdem er einige Tage zuvor den Hellenen die Kriegserklärung
zugesendet hatte. Seine Herolde sollten Wasser und Erde von allen
Kantonen des Festlandes fordern, auch von denen, welche diese Zeichen
der Unterwerfung bereits dem Dareios gegeben. Nur Sparta und Athen,
wo die Boten des Dareios getötet worden waren, sollten sie nicht be¬
rühren. Das Heer zog noch nicht in militärischer Ordnung; der Troß
ging voran, um das Zurückbleiben desselben zu verhindern. Unweit von
Sardes, zu beiden Seiten der Straße nach Atarneus, aus welcher das
Heer marschierte, lagen die Hälften eines Leichnams. Im vorigen Herbst
hatte ein reicher Lyder — sein Vermögen betrug 23 000000 Thaler —
Pythios, des Attys Sohn, zu Kelänä den König mit seinem ganzen
Heere aus seine Kosten gespeist. Xerpes hatte diesen Eifer der Loyalität
sehr gnädig aufgenvmmen, den Pythios beschenkt und zu seinem Gast¬
freunde ernannt. Als nun im Frühjahr die Kontingente der Lyder und
Phryger zum Heere des Königs stoßen sollten, befanden sich alle fünf
Söhne des Pythios unter den Aufgebotenen. Aus die Gunst des großen
Königs bauend, eilte Pythios dem Lerres nach, erreichte ihn jenseit Sardes
und bat um die Gnade, den ältesten seiner Söhne zu Hause behalten zu
dürfen. Serres ergrimmte, daß einer seiner Unterthanen einen Sohn