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Die eheliche Treue bleibt unverletzt. Gastfreundschaft wird in der weitesten
Ausdehnung geübt und der Gast ist jeden Schutzes gewiß. Ackerbau
überlassen sie nur den Ärmsten und Niedrigsten, den Fellahs. Künste
und selbst Handwerke sind ihnen unbekannt; die meisten halten es sogar
für unschicklich, zu schreiben oder zu lesen.
Der Reichtum der Beduinen besteht iü ihren Herden und beson¬
ders in ihren Kamelen. Kein Tierleben ist durch die Bande der Natur so
eng gepaart mit dem Menschenleben, als das des Kamels seit Jahr¬
tausenden mit dem des Beduinen. Er nennt es das Schiff der Wüste,
das ihn durch das sonst unwegsame Sandmeer mit Windesschnelle davon¬
trägt, ihm eine Zuflucht gewährt, schwerer zugänglich als eisige Berg¬
festen, und ihm den Genuß freiester Unabhängigkeit sichert, so daß er gern
der Civilisation fortgeschrittener Jahrtausende sich begiebt. Das Kamel,
hier in seiner Heimat nur mit einem Höcker, findet ans der nacktesten
Fläche, in dem härtesten Wüstengestrüpp, in dem dornigsten Akazien¬
gewächs wie in dem steinigen Dattelkerne durch die zermalmende Kraft
seiner Zähne hinreichende Nahrung. Des Trankes vermag es eine Reihe
von Tagen hindurch zu entbehren. Ohne Zaum, Zügel und Gebiß, wird
das Kamel nur liebreich durch Worte gelenkt; für Musik hat es so viel
Sinn, daß es beim Gesänge des Führers Last und Ermüdung leicht ver¬
gißt. Des Arabers und seiner Familie Träger durch die Wüste, sein
Mitkämpfer und sein Netter in den Schlachten, sein Bekleider und
Ernährer, sein treuester Geführte in toter Einsamkeit, ist das Kamel sein
Freund und Bruder, muß mit ihm teilen Freud' und Leid. Bei der
Geburt wird es mit den Worten begrüßt: „Uns ist wieder ein Kind
geboren." Auch das Paradies des künftigen Lebens kann er sich nicht
denken ohne sein Kamel. Die Tötung des Kamels wird daher wie
Brudermord durch Blutrache gesühnt; selbst die Beschimpfung wird wie
die seines Herrn blutig geahndet. So wurde dies sanfteste und fügsamste
Tier der Schöpfung mit seiner gemessenen feierlichen Bewegung, seinem
lebendigen, milden, fast empfindungsvollen Blick des großen und schönen,
mit langen Wimpern beschatteten Auges der notwendigste Besitz des echten
Beduinen; die Wüste belebend, wurde es Völkerbilduer und Träger der
patriarchalischen Entwicklungsstufe des Menschengeschlechts. Durch die
Vorsehung Gottes, welche gerade dieses Tier den Hirtenvölkern Asiens
gab, erhoben sich dieselben zuerst zu einem höhern Grade der Entwicklung,
wie sie in der Urgeschichte der Patriarchen hervortritt.
Die Religion der Beduinen ist sehr einfach. Zwar nennen sie
sich Mohammedaner, aber nur wenige halten die Fasten oder wallen nach
Mekka, der Koran ist kaum bekannt und Moscheen haben sie gar nicht.
Ihre Religion ist eigentlich auch geblieben, wie sie zu den Zeiten Abrahams