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Christen nach Afrika gingen, Unglaubliches in selbstsnchtloser Aufopferung
für ihren edlen Zweck. Cervantes hat ihnen in der Novelle „Die Spanierin
in England" ein schönes Denkmal errichtet, und sie haben es um ihn
verdient. Denn nur ihren Bemühungen gelang es, teils durch Anleihen,
welche sie für ihn aufbrachten, teils durch flehentliche Bitten beim Dey,
die Freilassung des Cervantes zu erlangen, als er eben im Begriffe war,
mit seinem Herrn nach Konstantinopel eingeschifft zu werden.
Als sich Cervantes nach der Rückkehr in seiner Heimat umsah, war
er arm, ungeka.P, verlassen, wie nur je. Von neuem trat er als ge¬
meiner Soldat in sein früheres Regiment, zog mit diesem in das damals
mit Spanien vereinigte Portugal und kämpfte auch auf den Azorischen
Inseln. Diese Feldzüge fallen in die Jahre 1581—1583, und in der
letzten Zeit dieser Periode hat er sein erstes größeres Werk, den Schäfer¬
roman „Galatea", gflchrieben. Man bringt dieses Werk in Verbindung
mit dem Verhältnis zu einer Dame, mit welcher sich Cervantes gegen
Ende des Jahres 1584 vermählt hat. Die kastilische Ortschaft Esquivias
war die Heimat seiner Gattin, und dieses Städtchen wird von Cervantes
in seinen Novellen wiederholt erwähnt.
Von jetzt an hat Cervantes mit seinem treuen Weibe unter Nahrungs¬
sorgen, Entbehrungen, Verkennung und Zurücksetzung jeder Art 30 Jahre
lang gelebt, und nachdem er gestorben war, ging der einzige Wunsch
seiner Witwe dahin, im Grab an seiner Seite zu ruhen. Der Glaube
an Gott, die Liebe zu den Menschen und die Hoffnung ans ein besseres
Jenseits blieben unerschütterlich in der reinen Seele unseres Dichters;
darum hat ihn auch seine Frau und Leidensgefährtin so geliebt. An
den wenigen Stellen seiner Werke, wo er sich als halber Satiriker auf-
thut, meint man eher das Lächeln eines schalkhaften Kindes zu sehen,
als den bittern Schmerz eines tief getäuschten Mannes, eines von seinem
Jahrhundert verkannten Genies.
Cervantes betrat die dornenvolle Laufbahn eines Schriftstellers, der
um sein Brot schreibt. Damals hatte die spanische Nationalbühne ihre
rasche und glänzende Entwicklung begonnen; die Begeisterung des Volkes
für das Theater war allgemein, und Cervantes dichtete, vielleicht nur zu
rasch, 20 bis 30 Schauspiele. Sie sollen günstig aufgenommen worden
sein, allein was uns davon erhalten ist, nämlich die zwei Stücke: „Das
Leben in Algier", aus den Sklavenschicksalen des Dichters selbst ent¬
nommen, und „Nnmantia", eine Darstellung des Heldenkampfs und Unter¬
gangs der altspanischen Stadt dieses Namens in den Nömerkriegen, das
läßt uns bei aller Anerkennung einzelner großer Schönheiten nicht ver¬
kennen, daß Cervantes ein dramatisches Genie nicht war. In dieser
Zeit seines Lebens kam Cervantes, teilweise im Zusammenhang mit seiner