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Landeskunde der Provinz Schleswig-Holstein.
Die Westgrenze der Marsch fallt, von den oben angegebenen Ausnahmen ab-
gesehen, mit der Küste des Landes zusammen. Diese verläuft von der Grenze
Jütlands bis Husum fast geradliuig von N nach S, biegt in Eidelstedt und Dithmarschen
nach W aus und geht dann von Brunsbüttel an wieder säst in gerader Linie nach SW.
Die Marsch hat ihren jetzigen Charakter erst in der auf die Eiszeit folgeudeu Zeit,
in der sogenannten postglazialen Zeit, der Alluvialzeit, erhalten. Am Rande des
felsigen Festlandes klafft eine tiefe Spalte in der Erdrinde. Während man in der
benachbarten Geest in geringer Tiefe auf den Felsen stößt, stellenweise wie bei
Stellingen und Lägerdorf fast anstehendes, das heißt durch die Diluvialschicht fast
hindurchdringendes Gestein sich sindet, hat man zum Beispiel bei Brunsbüttel in
einer Tiefe von über 200 m noch nicht festes Gestein erreicht. Diesen Spalt hat wie
den Boden der südlichen Nordsee die erste Vergletscherung mit ihrem Schutt aus-
gefüllt, dann hat der Urstrom des nördlichen Deutschlands, dessen Mündung die
jetzige Elbmündung war, diesen Schutt mit einer mächtigen Schicht groben Sandes
überdeckt. Eine Senkung, die auch die südliche Nordsee entstehen ließ, machte die jetzige
Mündung der Elbe zu einem Meerbusen, und nun entstand die Marsch. Die Marsch-
erde ist nach Ludwig Meyn „ein mehr oder weniger sandiger uud glimmerreicher
Schlick, welchen die Nordsee und die in dieses Meer mündenden Flüsse, namentlich die
Elbe, Eider uud Widau mit ihren Nebenflüssen unter der Einwirkung von Ebbe und
Flut auf der sandigen Unterlage abgesetzt haben, an dessen Zusammensetzung Reste
mikroskopischer Pflanzen und Tiere einen bedeutenden Anteil haben" (Alluvium).
Noch in historischen Zeiten sind in der Marsch Veränderungen vor sich ge-
gangen, die noch jetzt ihren Abschluß uicht erreicht habeu. Jede gewöhnliche Flut
spülte Stücke von festem Lande fort, Sturmfluten rissen große Stücke Landes weg;
gegen ihre verheereudeu Wirkungen fchützeu die Menschen das Land durch Deiche
und suchen dem Meer neues Terrain abzugewinnen. Von den Sturmfluten sind
besonders verhängnisvoll geworden die große Mandreuke des Jahres 1362 uud die
Flut von 1634, die den Marschinseln im N von Eiderstedt uud dem Festlande daselbst
etwa die jetzige Gestalt gegeben haben. Über den Beginn des Deichbaues hat man
nur unbestimmte Nachrichten. In den Elbmarschen wurde er in größerem Maß-
stabe planvoll im 12. Jahrhuudert vou eingewanderten Holländern betrieben. Die
zum Schutze gegen die Fluten erbauten Deiche sind 5—10 m hohe Erdwälle, die nach
dem Meere zu sich sanft abdachen, damit die heranrollenden Wogen allmählich ihre
Kraft verlieren (Abb. 2). Hat außerhalb der Deiche die See so viel Schlick abgesetzt,
daß man daran denken kann, das Vorland zu benutzen, so umschließt man es zunächst
mit einem 2—3 m hohen sogenannten Sommerdeich, der hoch genug ist, um die
gewöhnlichen sommerlichen Fluten abzuhalten, den aber das Hochwasser im Winter
regelmäßig übersteigt. Das Material dazu entnimmt man dem weiteren Vorlande,
wo es durch den Schlick des Meeres schnell wieder ersetzt wird. Die winterlichen Fluten
lagern innerhalb des Deiches ihre festen Bestandteile ab und erhöhen das Land.
Ist es hoch genug geworden, so baut man einen hohen Deich. Dies eingedeichte
Land heißt Koog, in Holland Polder. In den letzten Jahren hat man die Ufer
durch Steinbauten, Buhnen, zu schützen gesucht. Steindämme sind von den Inseln
zum Festlaud geführt wordeu, hinter denen der Schlick ablagern kann.