22. Des Minnesangs Frühling.
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um 1170 vorzugsweise kernige, Lebensweisheit enthaltende, auf Förderung
von Zucht und Sitte zielende Sprüche und geistliche, von gläubigem Christen¬
tum getragene Lieder. Wegen seiner bedeutsamen Spruchpoesie dürfte
man ihn nicht mit Unrecht einen Gnomiker nennen.
Die Kräuter des Waldes
Und Erze des Goldes
Und alle Abgründe
Die sind dir, Herre, künde;
Filmacht Gottes.
Die stehn in deiner Hand;
Alles himmlische Heer
Das mag dich nicht voll loben an ein
Ende.
Flies mit Maß.
Man soll den Mantel hängen, wie der
Wind sich dreht.
Ein tücht'ger Mann nehm' alles hin,
wie's eben steht.
Im Leid verlier' er nicht den Mut
Und sei besonnen, geht's ihm gut.
's ist heute mein, morgen dein:
Besitz und Habe wandern.
Nicht selten füllt der selbst hinein,
Wer die Grnbe grübt dem andern.
(Storck.)
8er rechte Schmuck.
Trügt ein reines Weib kein stattliches Gewand,
Schmückt doch sie ihre Tugend, wenn ich's recht verstand.
Daß schön geblümt einher sie geht,
Gleichwie die lichte Sonn' ersteht
An jedem Tage mit ihrem Schein,
Dem lauterlichen, hehren.
Trag' eine Falsch' anch Kleider viel.
Doch hat sie wenig Ehren. (Storck.)
Wrihnachtstird.
Er ist gewaltig und ist stark.
Der zu Weihnacht geboren ward;
Das ist der heilige Christ!
Ihn preiset, was auf Erden ist,
Außer dem Teufel alleine
In seinem großen Übermut;
Dafür die Hüll' ihm ward zti teile.
Die Hölle ist voll Not und Qual
Für die Verdammten allzumal!
Es scheint dort nicht der Sonne Licht,
Der Mond erhellt ihr Dunkel nicht.
Noch schimmern lichte Sterne;
Der Höllenbürger sieht nur Pein.
Wie wär' im Himmel er so gerne!
Ein hohes Haus im Himmel steht,
Zu dem ein Weg von Golde geht;
Von Marmor ist es aufgeführt,
Von Gott den: Herrn ausgeziert
Mit edelem Gesteine;
Doch niemand wird da wohnen je,
Der nicht von allen Sünden reine.
Wer gerne Kirchengehen pflegt
Und keinen Neid im Herzen trügt.
Der mag voll Hoffnung leben;
Der wird dort selig schweben
In heiliger Gemeine.
Wohl ihm, daß er geboren ward!
Das Leben dort im Himmel ist so reine.