Full text: Handbuch für den deutschen Unterricht in den oberen Klassen der Gymnasien (Theil 2)

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Angelus Silcsins. (1624—1677 ) 
6. Blumen seind dort auserlesen, 
Nicht verändern's ihren Stand; 
Laub und Gras bleibt unverwesen, 
Haltet immer grün das Land. 
Balsam, Honig häufig fließen, 
Und bereichen Berg und Thal; 
Auch an Bäumen zu genießen 
Hangen Früchte ohne Zahl. 
7. Nie zum Untergang da neiget 
Sich der helle Sonnen-Schein; 
Immer auch der Mond sich zeiget 
Unverändert, voll und rein. 
Auch die Sternen nicht mehr leiden, 
Daß man's treibt zur dunkeln Wacht; 
Bon dem neuen Licht nie scheiden, 
Fliehen iinmerzu die Nacht. 
8. Du, o Lamm, bist Sonn und Mon>, 
Du der Stadt gibst allen Schein; 
Bon dir kommt ihr Freud' und Wonne, 
Alle durch dich selig sein. 
Deiner Freunde Glanz darneben 
Wird durch dich den Sternen gleich; 
O wie freud- und herrlich leben 
Allesammt in deinem Reich! 
9. Mit den Palm- und Lorber-Zweigen 
Herrlich treten sie hervor, 
Ihren Sieg damit zu zeigen, 
Du selbst führest ihren Chor. 
Groß Frohlocken wird gehöret, 
Weil gelegt ist aller Krieg; 
Nichts die sichre Freud' verstöret, 
Ewig ihnen bleibt der Sieg. 
10. Nicht der Geist wird mehr verletzet, 
Durch des Fleisch's Betrieglichkeit: 
Dies den Stachel nicht mehr wetzet 
Zum gewohnten Seelen Streit. 
Seind einander wohl gewogen, 
Wunderfriedsam seind verpaart: 
Weil der Leib auch angezogen 
Nunmehr hat der Seelen Art. 
11. Solcher Fried ist gleicher Massen 
Bei der Auserwählten Schaar; 
Freudenfest' auf allen Gassen 
Alle halten immerdar. 
Keinen thut der Neid verwunden, 
Eins ist Aller Glück und Ehr'; 
Lieb sie also hat verbunden, 
Gleich als Ein Person da wär'. 
12. Was Gott Einem hat gegeben, 
Allen macht die Lieb gemein; 
Was gemein, ein jeder eben 
Hat, als wär' es sein allein. 
Keiner kann da Spaltung leiden, 
Denn es ist der Liebe Reich; 
Seind die Kronen schon verscheiden, 
Macht die Lieb doch alles gleich. 
13. Diese Lieb, von Gott entzündet, 
Immer bleibt in ihrer Glut; 
Denn in Gott ist sie gegründet, 
In dem lieb- und höchsten Gut. 
Aller Herz ihm einverleibet 
Hat die göttlich Gütigkeit; 
Darum stets bei allen bleibet 
Die gewünschte Einigkeit. — — 
20. Jesu, wollest mir erwerben 
Die so große Freud' und Ehr'; 
Gern alsdann ich jetzt wollt' sterben, 
Und kein Ding begehren mehr. 
Meine Seel' hast du versöhnet 
Mit dem liebsten Vater dein; 
Laß sie auch von dir gekrönet, 
Deines Reichs ein Mit-Erb sein. 
Johann Schcffker, genannt Angelus Silesins. 
Geb. 1624 zu Breslau, studirte Medicin, neigte zur Mystik, trat 1653 zur katholischen Kirche, wurde kaiserlicher 
Leiöa»zt, dann Minorit, Priester und Rath des Bischofs von Breslau, starb am 9. Juli 1677. Seinen Namen 
wählte er von dem spanischen Mystiker Johannes ab Angelis. Seine geistlichen Lieder („Heilige Seelenlust oder 
geistliche Hirtenlieder der in ihren Jesum verliebten Psyche") sind voll Innigkeit und Zartheit und athmen echte 
Poesie. Seine „geistreiche Sinn- und Schlußreime" im „Cherubinischen Wandersmann" streifen in ihrem 
Schwünge ans Pantheistische. Außer diesen poetischen Werken (1657) wurde er später zu vielen religiösen 
Streitschriften veranlaßt. 
1. Ergebung an die ewige Liebe. 
Liebe, die du mich zum Bilde 
Deiner Gottheit hast gemacht; 
Liebe, die du mich so milde 
Nach dem Fall hast wieder bracht: 
Liebe, dir ergeb' ich mich, 
Dein zu bleiben ewiglich! 
Liebe, die du mich erkoren, 
Eh' als ich geschaffen war; 
Liebe, die du Mensch geboren 
Und mir gleich wardst ganz und gar: 
Liebe, dir ergeb' ich mich, 
Dein zu bleiben ewiglich! 
Liebe, die für mich gelitten 
Und gestorben in der Zeit; 
Liebe, die mir hat erstritten 
Ew'ge Lust und Seligkeit: 
Liebe, dir ergeb' ich mich, 
Dein zu bleiben ewiglich! 
Liebe, die mich hat gebunden 
An ihr Joch mit Leib und Sinn; 
Liebe, die mich überwunden, 
Und mein Herze hat dahin: 
Liebe, dir ergeb' ich mich, 
Dein zu bleiben ewiglich!
	        
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