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F. ©. Klvpstock. (1724—1803.)
Waren mir, dem Vater des Elends, ein liebliches Opfer.
Wandelt nicht dort der Schatten Herodes? Verworfene Seele,
War es nicht ich, der in dir den Gedanken, die Bethlehemiten
Wegzuwürgen, erschuf? Kann etwa des Himmels Beherrscher
520. Seiner Bildungen mühsames Werk, die unsterblichen Seelen,
Vor mir schützen, daß ich sic mit meiner verborgnen Begeistrung
Nicht umschatte und über sie nicht zum Verderben mich breite?
Ja, Verlals'ner, dein klagendes Winseln, dein banges Verzweifeln
Und der Seelen Geschrei, die du sonst unschuldig erwürgtest,
525. Daß sie sündigend starben und dir und dem Schassenden fluchten,
Ist nun deinem befriedigten Herrscher ein liebliches Opfer.
Als er starb, versammelte Götter, da kehrte der Knabe
Aus Aegyptens Gefilde zurück. Die Jahre der Jugend
Lebt' er im Schooß der zärtlichen Mutter, in weicher Umarmung,
530. Unbekannt. Kein jugendlich Feuer, kein edles Erkühnen
Trieb ihn zu Unternehmungen an, sich furchtbar zu machen.
Doch, ihr Götter, im einsamen Wald, an dem öden Gestade,
Wo er oft war, da hat er vielleicht auf Dinge gesonnen,
Die, aus schreckender Ferne, den Untergang der Hölle
535. Drohn und von uns verneuerten Muth und Wachsamkeit fordern?
Seht, dies glaubt' ich vielleicht, hätt' er sich mit tiefen Gedanken
Mehr beschäftigt, als mit der Betrachtung der Blumen und Felder
Und der Kinder um ihn und mit dem sklavischen Lobe
Dessen, der ihn mit den Würmern aus niedrigem Staube gemacht hat.
540. Ja, ich wäre vor Ruh' und langer Muße vergangen,
Hätte mir nicht der Menschen Geschlecht stets Seelen geopfert,
Die ich, dem Himmel vorüber, hierher zur Bevölkerung sandte.
Endlich schien es, als sollt' er nun auch merkwürdiger werden.
Gottes Herrlichkeit kam, als er einst am Jordan herumging,
545. Strahlend vom Himmel. Sie hab' ich mit diesen unsterblichen Augen
Selbst am Jordan gesehn. Kein Bild, kein himmlisches Blendwerk
Hat mich getäuscht. Sie war's, wie sie von dem Throne des Himmels
Durch die langen betenden Reih'n der Seraphim wandelt.
Aber warum, und ob sie dem Erdenkinde zu Ehren
550. Oder, um unsere Wachsamkeit auszuforschen, Herabstieg,
Dieses entscheid' ich nicht. Zwar hört' ich gewaltige Donner,
Donner, mit dieser Stimme vereint: Das ist mein Geliebter!
Siehe, der Sohn nach meinem Herzen! Der war wohl Eloa
Oder einer vom Thron, der, mich zu verwirren, es ausrief;
555. Gottes Stimme war's nicht! Denn bei der untersten Hölle
Und bei ihrer nächtlichsten Nacht! sie tönte mir anders,
Als er uns Göttern einst den Sohn der Ewigkeit aufdrang.
Auch weissagt' ihm ein finstrer Prophet, der dort in der Wüste
Menschenfeindlich die Felsen durchirrt', er ries ihm entgegen:
560. Siehe Gottes Lamm, das der Erde Sünde versöhnet!
Der du von Ewigkeit bist, du, der schon lange vor mir war,
Sei mir gegrüßt! Aus dir, o du, der Erbarmungen Fülle,
Nehmen wir Gnad' um Gnade. Durch Moses ward das Gesetz kund;
Aber durch den Gesalbten des Herrn kommt Wahrheit und Gnade.
565. Ist das nicht hoch und prophetisch genug? So ist es, wenn Träumer
Träumer besingen, da bauen sie sich ein heiliges Dunkel;
Und dann sind wir unsterbliche Götter viel zu geringe,
Bis in das innre Gebäu der Geheimnisse durchzuschauen.
Will er uns nicht den erhabnen Messias, den König des Himmels,
570. Jenen Donnerer Gottes, der in der gewaltigen Rüstung
Wider uns stritt, bis wir die neuen Welten erreichten,
Unsern würdigen Feind und erhabeneren Widersacher,
Will er ihn nicht in jene Gestalt, die wir tobten, verkleiden?
Zwar er selbst, das Erdegeschöpf, von dem der Prophet träumt,
575. Dünkt sich nicht wenig zn sein. Oft hält er Kranke, die schlummern,