Aus dem Spanischen: Calderón.
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Steht auf solcher würd'gen Stufe
Dieser Name, daß das Recht
Ter Natur ihm heißet huld'gen
Mit Gehorsam: wie wir lesen,
Daß der Löw', in ungebuudnen
Staaten des Gewildes König,
Der, wann er die Stirne runzelt,
Sie mit straub'genr Haarwuchs krönet,
Milde sei, und nie verschlungen
Hab' als Raub den Unterwürf'gen.
In dem salz'gen Schaum der Fluten
Malen dem Delphin, der König
Unter Fischen ist, die Schuppen,
Die er silbern trägt und golden,
Auf die dunkelblauen Schultern
Kronen, und man sah wohl schon
Aus der wüsten Wuth des Sturmes
Ihn ans Land die Menschen retten,
Daß sie nicht im Meer versunken.
Dann der hochgewalt'ge Adler,
Dem die Federn sich zum Busche
In des Windes Sphären kräuseln,
Aller Vögel, die mit Gruße
Sich der Sonne freu'n, Monarch,
Mild und edel, will nicht dulden,
Daß der Mensch, zum Trunk geladen,
Unter reinem Silber schlurfe
Seinen Tod, so den Krystallen
Einer Natter gift'ge Zunge
Beigemischt, und rührt mit Schnabel
Sie und Fitt'chen trüb' und dunkel.
Unter Pflanzen selbst und Steinen
Sehn wir abgedruckt die Spuren
Solcher Herrschaft: die Granate,
Die, zur Königin berufen
Unter Früchten, sich zur Krone
Ihrer Schalen Spitze rundet,
Läßt, vergiftet, die Rubinen
Welken, die an ihr gefunkelt,
Und verwandelt in Topasen
Ihre Farbe, matt verdumpfet.
Der Demant, vor dessen Antlitz
Der Magnet selbst seines Zuges
Sich entäußert, um gehorsam
Ihm als König so zu huld'gen,
Ist so edel, daß er nicht
Seines Herrn Verrath kann dulden,
Und die Härt', an der vergeblich
Sich gespitzte Griffel stumpfen,
Muß dann in sich selbst zerfallen,
Ausgelös't in feines Pulver.
Ist nun unter Thieren, Fischen,
Vögeln, Pflanzen, Steinen kundig
Solche Königs-Majestät
Des Erbarmens: billig muß es
Auch bei Menschen gelten, Herr!
Nicht die fremde Lehr' entschuldigt
Dich dabei, in jeder Lehre
Ist die Grausamkeit verrufen.
Keineswegs will ich dich rühren
Mit dem Jammer meines Druckes,
Daß du mir das Leben gebest,
Welches nicht die Stimme suchet.
Denn ich weiß wohl, ich muß sterben
An der Krankheit, die, verdunkelnd
Meine Sinne, durch die Glieder
Matt und frostig mir gedrungen;
Ich weiß wohl, daß ich zum Tode
Wund bin, weil kein Wort die Zunge
Vorbringt, dessen Athem nicht
Wär' ein scharfer Dolch dem Busen;
Endlich, daß ich sterblich bin,
Und daß sicher keine Stunde;
Weshalb auch bei gleichem Stosse'
Gleiche Formen und Figuren
So dem Sarge wie der Wiege
Die Vernunft zu geben wußte.
Als natürliche Gebärde
Pflegt der Mensch, der etwas suchet
Zu empfangen, seine Hände
Zu erheben, so verbunden!
Will er's wieder von sich werfen,
Dann auf gleiche Weise thut er;
Denn der Last sie zu entled'gen,
Wendet er sie bloß nach unten.
So die Welt bei der Geburt,
Zum Beweis, das; sie uns suche,
Will uns in der Wieg' empfangen,
Und thut sie zu unserm Schutze
Aust gewandt nach oben; aber
Wenn mit Grimm sie oder Trutze
Weg von sich uns werfen will,
Wendet sie bloß die verbund'nen
Händ', und eben jenes Werkzeug
Tauscht die Form zu dem Behufe;
Denn was Wiege war nach oben,
Wird zum Sarg gewandt nach unten.
Unserm Tod so nahe demnach
Leben wir, so eng verbunden
Haben wir, wenn wir geboren,
Wie die Wiege, so die Grube.
Was erwartet, wer dies höret?
Wer dies weiß, was kann er suchen?
Nicht das Leben wird es sein.
Das ist klar aus gutem Grunde;
Wohl der Tod, um diesen bitt' ich,
Daß der Himmel meinem Wunsche
So willfahren mag, zu sterben
I Für den Glauben; und vermuthest
Du vielleicht, dies sei Verzweiflung,
Weil ich lebe mir zur Buße:
So ist's doch nur Trieb, mein Leben
In des Glaubens rechtem Schutze
Hinzugeben, Gott zum Opfer
Bietend Leib und Seel' im Bunde.
Und so, bitt' ich schon den Tod,
Muß mich jener Trieb entschuld'gen,
Und wenn nicht bei dir die Milde
Siegen kann, die Härte suche
Dich zu nöth'gen. Bist du Löwe?