Full text: Handbuch für den deutschen Unterricht in den oberen Klassen der Gymnasien (Theil 2)

Aus dem Spanischen: Calderón. 
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Steht auf solcher würd'gen Stufe 
Dieser Name, daß das Recht 
Ter Natur ihm heißet huld'gen 
Mit Gehorsam: wie wir lesen, 
Daß der Löw', in ungebuudnen 
Staaten des Gewildes König, 
Der, wann er die Stirne runzelt, 
Sie mit straub'genr Haarwuchs krönet, 
Milde sei, und nie verschlungen 
Hab' als Raub den Unterwürf'gen. 
In dem salz'gen Schaum der Fluten 
Malen dem Delphin, der König 
Unter Fischen ist, die Schuppen, 
Die er silbern trägt und golden, 
Auf die dunkelblauen Schultern 
Kronen, und man sah wohl schon 
Aus der wüsten Wuth des Sturmes 
Ihn ans Land die Menschen retten, 
Daß sie nicht im Meer versunken. 
Dann der hochgewalt'ge Adler, 
Dem die Federn sich zum Busche 
In des Windes Sphären kräuseln, 
Aller Vögel, die mit Gruße 
Sich der Sonne freu'n, Monarch, 
Mild und edel, will nicht dulden, 
Daß der Mensch, zum Trunk geladen, 
Unter reinem Silber schlurfe 
Seinen Tod, so den Krystallen 
Einer Natter gift'ge Zunge 
Beigemischt, und rührt mit Schnabel 
Sie und Fitt'chen trüb' und dunkel. 
Unter Pflanzen selbst und Steinen 
Sehn wir abgedruckt die Spuren 
Solcher Herrschaft: die Granate, 
Die, zur Königin berufen 
Unter Früchten, sich zur Krone 
Ihrer Schalen Spitze rundet, 
Läßt, vergiftet, die Rubinen 
Welken, die an ihr gefunkelt, 
Und verwandelt in Topasen 
Ihre Farbe, matt verdumpfet. 
Der Demant, vor dessen Antlitz 
Der Magnet selbst seines Zuges 
Sich entäußert, um gehorsam 
Ihm als König so zu huld'gen, 
Ist so edel, daß er nicht 
Seines Herrn Verrath kann dulden, 
Und die Härt', an der vergeblich 
Sich gespitzte Griffel stumpfen, 
Muß dann in sich selbst zerfallen, 
Ausgelös't in feines Pulver. 
Ist nun unter Thieren, Fischen, 
Vögeln, Pflanzen, Steinen kundig 
Solche Königs-Majestät 
Des Erbarmens: billig muß es 
Auch bei Menschen gelten, Herr! 
Nicht die fremde Lehr' entschuldigt 
Dich dabei, in jeder Lehre 
Ist die Grausamkeit verrufen. 
Keineswegs will ich dich rühren 
Mit dem Jammer meines Druckes, 
Daß du mir das Leben gebest, 
Welches nicht die Stimme suchet. 
Denn ich weiß wohl, ich muß sterben 
An der Krankheit, die, verdunkelnd 
Meine Sinne, durch die Glieder 
Matt und frostig mir gedrungen; 
Ich weiß wohl, daß ich zum Tode 
Wund bin, weil kein Wort die Zunge 
Vorbringt, dessen Athem nicht 
Wär' ein scharfer Dolch dem Busen; 
Endlich, daß ich sterblich bin, 
Und daß sicher keine Stunde; 
Weshalb auch bei gleichem Stosse' 
Gleiche Formen und Figuren 
So dem Sarge wie der Wiege 
Die Vernunft zu geben wußte. 
Als natürliche Gebärde 
Pflegt der Mensch, der etwas suchet 
Zu empfangen, seine Hände 
Zu erheben, so verbunden! 
Will er's wieder von sich werfen, 
Dann auf gleiche Weise thut er; 
Denn der Last sie zu entled'gen, 
Wendet er sie bloß nach unten. 
So die Welt bei der Geburt, 
Zum Beweis, das; sie uns suche, 
Will uns in der Wieg' empfangen, 
Und thut sie zu unserm Schutze 
Aust gewandt nach oben; aber 
Wenn mit Grimm sie oder Trutze 
Weg von sich uns werfen will, 
Wendet sie bloß die verbund'nen 
Händ', und eben jenes Werkzeug 
Tauscht die Form zu dem Behufe; 
Denn was Wiege war nach oben, 
Wird zum Sarg gewandt nach unten. 
Unserm Tod so nahe demnach 
Leben wir, so eng verbunden 
Haben wir, wenn wir geboren, 
Wie die Wiege, so die Grube. 
Was erwartet, wer dies höret? 
Wer dies weiß, was kann er suchen? 
Nicht das Leben wird es sein. 
Das ist klar aus gutem Grunde; 
Wohl der Tod, um diesen bitt' ich, 
Daß der Himmel meinem Wunsche 
So willfahren mag, zu sterben 
I Für den Glauben; und vermuthest 
Du vielleicht, dies sei Verzweiflung, 
Weil ich lebe mir zur Buße: 
So ist's doch nur Trieb, mein Leben 
In des Glaubens rechtem Schutze 
Hinzugeben, Gott zum Opfer 
Bietend Leib und Seel' im Bunde. 
Und so, bitt' ich schon den Tod, 
Muß mich jener Trieb entschuld'gen, 
Und wenn nicht bei dir die Milde 
Siegen kann, die Härte suche 
Dich zu nöth'gen. Bist du Löwe?
	        
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