Full text: Handbuch für den deutschen Unterricht in den oberen Klassen der Gymnasien (Theil 2)

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Ans dem Portugiesischen: Cnmoens. 
Wohl, so brüll' im grünm'geir Muthe, 
Und zerstücke den, der dich 
Höhnt, beleidigt und dir trotzet. 
Bist du Adler? Laß den Schnabel 
Und die Klauen den verwunden, 
Der dein Nest wagt zu zerstören. 
Bist du Delphin? So gib Kunde, 
Daß Orkane nahn, dem Schiffer, 
Der das Meer der Welt durchfurchet. 
Bist du königlicher Baum? 
Zeig' der Heftigkeit des Sturmes, 
Der Gerichte Gottes übet, 
Alle Zweig' entblößt vom Schmucke. 
Bist du Diamant? So werde 
Gift'ge Wuth, zerstiebt in Pulver, 
Und erschöpfe dich; denn ich, 
Ob ich noch mehr Qualen dulde, 
! Ob ich noch mehr Härte sehe, 
| Ob ich noch mehr klag' im Drucke, 
Ob ich noch mehr Noth erlebe, 
Ob ich fühle noch mehr Bußen, 
Ob ich noch mehr Hunger leide, 
Ob den Leib schon diese Lumpen 
Nicht bedecken, und ich Wohnung 
Hier nur find' im alten Wüste: 
Doch im Glauben fest verharr' ich, 
- Weil er Sonn' ist, die mir funkelt, 
Weil er Licht ist, das mich leitet, 
Lorber, der mir dient zum Ruhme. 
Nicht die Kirche sollst du, mich 
Magst du führen im Triumphe: 
Gott wird meine Sache schützen, 
Da ich seiner stritt zum Schutze. 
Aus dem Portugiesischen. 
Die Portugiesische Sprache gehört zu der Spanischen; sie schied sich von derselben seit der Trennung der Reiche 
(1109) und bildete ihre eigene Literatur, deren Blüte in das 16. Jahrhundert fällt, wo der Italiänische Kunst¬ 
geschmack seine Einwirkung übte. Der Hauptdichter der Portugiesen ist Camoens (1529—1579); besonders be¬ 
kannt durch sein EpoS: Die Lusiaden, worin er die Thaten der Lusitanier (des fabelhaften LusuS Söhne), 
namentlich Vasco da Gama'S Seefahrt nach Indien, besingt. Er dichtete dieses Werk in der Verbannung zu 
Macao in China. Bei einem Schiffbruch rettete ec nichts als sein Werk, das er schwiminend mit der einen 
Hand über Wasser hielt; er starb bettelarm in einem Hospital. 
Aus den Lusiaden» 
(Uebersetzt von Donner.) 
1. Eingang. 
Die Waffen und die glorreich edlen Recken 
Die von der Lusitanier Abendstrand 
Durch nie zuvor befahrne Meeresstrecken 
Vordrangen hinter Taprobana's*) Land, 
Die, groß in Mühsal und in Kriegesschrecken,' 
Vollbracht, was niemals Menschenkraft bestand, 
Ein neues Reich zu baun in ferner Zone, 
Das sie erhoben zu der Länder Krone; 
Zugleich der Fürsten ruhmgekrönte Thaten, 
Die, Reich und Glauben mehrend weit und 
breit, 
Der Africaner und der Asiaten 
Ruchlose Gait'n dem Untergang geweiht; 
Und sie, die, ärntend tapfrer Wecke Saaten, 
Von dem Gesetz des Todes sich befreit, 
Soll mein Gesang vor aller Welt verkünden, 
Wenn sich Natur und Kunst in mir verbünden. 
Verstumme denn, was weiser Griechen 
Ahnen, 
Was Troja's Söhn' auf weiter See vermocht; 
Von Alexandern schweige, von Trajanen, 
Der Ruf der Siege, die ihr Arm erfocht: 
Dich fing' ich, Hort ruhmvoller Lusitanen, 
Die weithin Meer und Länder unterjocht: 
Verstumme, was die Muse grauer Zeiten 
Besang, vor andern, größer» Herrlichkeiten! 
Und ihr, des Tago Jungfrau'»!**) - 
denn entzündet 
Habt ihr in mir des Geistes neue Glut — 
Wenn stets in niederm Laute froh verkündet 
Von meinem Lied ward eures Stromes Flut: 
Leiht Worte nun, voll hallend, schön geründet, 
Leiht zum erhabnen Klange mir den Muth, 
Daß nach dem Spruch Apollo's eure Welle 
Nicht mehr beneide Hippokrena's Quelle. 
Leiht mir Begeisterung, die mächtig schalle 
Nicht, wie von rauher Flöt' und wildem Rohr, 
Nein, von der Tuba stolzem Kriegeshalle, 
Der Wangen röthet, Geister hebt empor; 
Leiht mir Gesänge, werth der Thaten alle 
Von eurem Volk, das Mars dem Ruhm erkor, 
Daß durch das Weltall rings ihr Preis er¬ 
töne, 
Wenn ich so hohen Werth in Liedern kröne. 
2. Gama's Ankunft vor Indien. 
Doch schon umschiendes lichten Morgens Helle Am Bug das Festland deutlich unterschied. 
DieHöh'n, wodurch der Ganges rauschend zieht, Die Windsbraut schweigt, es ruht die Meeres 
Als aus dem hohen Mastkorb ein Geselle welle, 
*) Ceylon. — **) AIS Musen der portugiesischen Poesie.
	        
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