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Abriß der Poetik.
ähnlich wie bei den Minnesängern, nach
Stollen und Abgesang; sie besteht aus drei
Abtheilungen; die beiden ersten, Füße (piedi)
genannt, sind von gleicher Länge und durch
die Reimstellung mit einander verschlungen;
die dritte Abtheilung, Schweif (coda) ge¬
nannt, schließt sich an die zweite durch un¬
getrennten Reim an, und beginnt dann ihre
eigene Reimstellung; ihre Länge ist unab¬
hängig von den beiden Füßen. Im Deutschen
hat sich besonders Zedlitz in den Canzonen
versucht; namentlich in seinen Todtenkränzen
S. 479; Beispiel aus einer Canzone von
Petrarca:
In einem Wäldchen schwankten hin und
wieder
Geschlanken Lorbers heil'ge Zweig' in Blüten,
Der wie ein Baum aus Eden mich entzückte.
Aus seinem Schatten kamen süße Lieder,
Und so viel andre Lust sah ich ihn bieten,
Daß völlig er der Erde mich entrückte.
Nnd wie ich nach ihm blickte,
Sah ich des Himmels Bläue rings ent¬
schwunden ;
Ein Blitz — und von der Wurzel bis zum
Kranze
Sank die beglückte Pflanze
Zerschmettert hin. Drum kann ich nicht ge¬
sunden,
Weil solcher Schatten nimmer wird ge¬
funden.
Nach sechs solcher Strophen schließt die
ganze Canzone:
Canzone, kannst wohl sagen:
Die sechs Gesichte haben mit Verlangen
Nach süßem Tode meinen Herrn befangen.
3. Die Sestirre; der Erfinder soll
Daniel Arnaud sein, Troubadur aus Ta-
rascon (12. Jahrh.); Petrarca nahm sie aus.
Sie besteht aus sechs sechszeiligen Strophen
und einer Halbstrophe zum Schluß, in dem
bekannten elfsilbigen (fünffüßig jambischen)
Versmaß. Ihre Eigenheit besteht darin, daß
die sechs Endwörter der ersten Strophe sich
in jeder Strophe als Endwörter wiederholen,
und zwar so, daß jedes Endwort in jeder
Strophe eine andere Stellung erhält, was ge¬
wöhnlich dadurch erreicht wird, daß das End
wort der letzten Zelle einer Strophe zugleich
das Endwort der ersten Zeile der folgenden
Strophe bildet und dann regelmagig fort¬
gefahren wird, also: abcdef, f'abcde, e fab cd,
defabc, cdefab, bcdefa. Die Schluß-Halb-
flrophe von drei Zeilen bringt noch einmal
alle sechs Endwörter vor, in jeder Zeile zwei.
Natürlich müssen die Endwörter bedeutsam
sein und ein gewisses Verhältniß zu einander
haben, z. B. Leben, Klippen, Nachen,
Ende, Hafen, Segel, in einer Sestine
bei Petrarca; die letzte Halbsirophe dazu heißt:
Du, Herr von meinem Ende, meinem
Leben,
Bevor den Nachen ich zerschell' in Klippen,
Leite zum Hafen du mein müdes Segel!
8- 16. Fortsetzung.
4. Madrigal; aus dem Provenzali-
schen, so viel als Schäferlied; hatte ur- *
sprünglich eine strengere Form zwischen sechs
und elf Zeilen, mit höchstens drei Reimen
und mit einer Dreitheilung ähnlich den
Strophen der Minnesänger. Man kann jetzt
jedes kleinere, leichte lyrische Gedicht dazu
rechnen, das sich, wie Eine Strophe, durch
Vers- und Reimverschlingung zu einem ein¬
heitlichen Ganzen zusammenschließt; selbst
ernsteren Inhalts, wie „Wanderers Nachtlied"
S. 316. Verwandt damit sind die Skolien
oder Trinksprüche (bei den Griechen), so wie
überhaupt die Spruchgedichte von Einer
Strophe.
5. Triolett, aus dem Französischen. Es
besteht nach der strengeren Form aus acht
Zeilen, von denen die erste sich als vierte
wiederholt, und die beiden ersten als siebente
und achte; z. B.
Wer einmal sich nicht freuen mag,
Dem fruchren nicht Ermunterungen.
Es flieht der Freude Huldigungen,
Wer einmal sich nicht freuen mag;
Und wird ihm auch den ganzen Tag
„Freut euch des Lebens" vorgesungen:
Wer einmal sich nicht freuen mag,
Dem fruchten nicht Ermunterungen.
R a ß ni a n n.
Man hat jedoch auch freiere Fornien und
zu mehr Versen; das Wesentliche ist, daß ein
und derselbe Gedanke dreimal wiederkehrt,
wovon das Ganze den Namen hat.
6. Das Rondeau; französischen Ur¬
sprungs. Der strengen Form nach besteht
es aus 13 Zeilen, worin nur zwei Reime
vorkommen, der eine fünfmal, der andere
achtmal. Nach der achten und nach der drei¬
zehnten Zeile werden die Anfangsworte (Halb-
vers) der ersten Zeile als Refrain wiederholt.
7. Gloffe (Erklärung); sie stammt aus
dem Spanischen und bildet gleichsam Varia¬
tionen über ein gegebenes Thema. Gewöhn¬
lich besieht das Thema aus vier viersüßig