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Neue Zeit. Das zweite klassische Zeitalter.
Dort seh' ich langsam heilige Schatten gehn!
Nicht jene, die sich traurig von Sterbenden
Erheben, nein, die in der Dichtkunst
Stund' und der Freundschaft, um Dichter schweben
Sie führet, hoch den Flügel, Begeist'rung her!
Verdeckt bem Auge, welches der Genius
Nicht schärft, siehst du sie, seelenvolles,
Ahnendes Auge des Dichters, du nur!
Drei Schatten kommen! Neben den Schatten tönt's,
Wie Mimers Quelle droben vom Eichenhain
Mit Ungestüm herrauscht und Weisheit
Lehret die horchenden Widerhalle!
Wie aus der hohen Druiden Versammlungen,
Nach Braga's Telyn, nieder vom Opferfels
Jn's lange tiefe Thal der Waldschlucht
Satzungslos sich der Barden Lied stürzt;
Der du dort wandelst, ernstvoll und heiter doch,
Das Auge voll von weiser Zufriedenheit,
Die Lippe voll von feinem Scherz; ihm
Horcht die Aufmerksamkeit deiner Freunde,
Ihm horcht entzückt die feinere Schäferin.
Wer bist du, Schatten? Ebert! er neiget sich
Zu mir und lächelt. Ja, er ist es!
Siehe, der Schatten ist unser Gärtner!
Uns werth, wie Flakkus war sein Quintilius,
Der unverhüllten Wahrheit Vertraulichster,
Ach kehre, Gärtner, deinen Freunden
Ewig zurück! Doch du fliehest fern weg!
Fleuch nicht, mein Gärtner, fleuch nicht, du flohst ja,
Als wir an jenem traurigen Abende,
Um dich voll Wehmut still versammelt,
Da dich umarmten und Abschied nahmen!
Die letzten Stunden, welche bu Abschied nahmst;
Der Abend soll mir festlich auf immer sein!
Da lernt' ich, voll von ihrem Schmerze,
Wie sich die wenigen Edlen liebten!
Viel Mitternächte werden noch einst entfliehn.
Lebt sie nicht einsam, Enkel, und heiligt sie
Der Freundschaft, wie sie eure Väter
Heiligten und euch Exempel wurden!
Sechstes Lied.
In meinem Arme, freudig und weisheitsvoll,
Sang Ebert: Evan, Evoe Hagedorn!
Da tritt er auf dem Rebenlaube
Mutig einher wie Lyäus, Zeus Sohn!
Mein Herz entglühet! Herrschend und ungestüm
Bebt mir die Freude durch mein Gebein dahin!
Evan, mit deinem Weinlaubstaube
Schone, mit deiner gefüllten Schale!