Full text: Sieben Bücher deutscher Dichtungen

I. Älterer Zeitabschnitt (1740-1S00). 
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„Was Henker! Du bist nicht der Abt von St. Gallen?" 
Rief hurtig, als wär er vom Himmel gefallen, 
Der Kaiser mit frohem Erstaunen darein; 
„Wohlan denn, so sollst Du von nun an es sein! 
„Ich will Dich belehnen mit Ring und mit Stabe, 
Dein Vorfahr besteige den Esel und trabe! 
Und lerne fortan erst quid juris verstehn! 
Denn wenn man will ernten, so muß man auch sä'n." 
„Mit Gunsten, Herr Kaiser! Das laßt nur hübsch bleiben! 
Ich kann ja nicht lesen, noch rechnen und schreiben; 
Auch weiß ich kein sterbendes Wörtchen Latein, 
Was Hänschen versäumet, holt Hans nicht mehr ein." — 
^ „Ach, guter Hans Bendix, das ist ja recht schade! 
Erbitte demnach Dir ein' andere Gnade! 
Sehr hat mich ergötzet Dein lustiger Schwank; 
Drum soll Dich eruch wieder ergötzen mein Dank." — 
„Herr Kaiser, groß hab' ich so eben nichts nötig! — 
Doch seid Ihr im Ernst mir zu Gnaden erbötig, 
So will ich mir bitten, zum ehrlichen Lohn, 
Für meinen hochwürdigen Herren Pardon." — 
„Ha bravo! Du trägst, wie ich merke, Geselle, 
Das Herz, wie den Kopf, auf der richtigen Stelle: 
Drum sei der Pardon ihm in Gnaden gewährt 
Und obendrein Dir ein Panisbrief beschert! 
Wir lassen dem Abt von St. Gallen entbieten: 
Hans Bendix soll ihm nicht die Schafe mehr hüten, 
Der Abt soll sein pflegen nach unserm Gebot, 
Umsonst, bis an seinen sanftseligen Tod." G. A. Bürger. 
Der wilde Säger. 
Der Wild- und Rheingraf stieß ins 
Horn: 
„Halloh, halloh, zu Fuß und Roß!" 
Sein Hengst erhob sich wiehernd vorn; 
Laut rasselnd stürzt' ihm nach der Troß; 
Laut klifst'und klasst'es, frei vom Koppel, 
Durch Korn und Dorn, durch Haid' 
und Stoppel. 
Vom Strahl der Sonntagssrühe war 
Des hohen Domes Kuppel blank. 
Zum Hochamt rüste dumpf und klar 
Der Glocken ernster Feierklang. 
Fern tönten lieblich die Gesänge 
Der andachtsvollen Christenmenge. 
Rischrasch quer über'» Kreuzweg ging's 
Mit Horridoh und Hussassa, 
Sieh da! Sieh da, kam rechts und links 
Ein Reiter hier, ein Reiter da! 
Des Rechten Roß war Silbersblinken, 
Ein Feuerfarbner trug den Linken. 
Wer waren Reiter links und rechts? 
Ich ahn' es wohl, doch weiß ich's nicht. 
Lichthehr erschien der Reiter rechts, 
Mit mildem Frühlingsangesicht; 
Graß, dunkelgelb der linke Ritter, 
Schoß Blitz' vorn Aug', wie Ungewitter. 
„Willkommen hier zu rechter Frist, 
Willkommen zu der edeln Jagd! 
Auf Erden und im Himmel ist 
Kein Spiel, das lieblicher behagt." — 
Er ries's, schlug laut sich an die Hüfte, 
Und schwang den Hut hoch in die 
Lüfte. 
Schlecht stimmet deines Hornes Klang," 
Sprach der zur Rechten sanften Muths, 
„Zu Feierglock' und Chorgesang. 
Kehr' um! Erjagst dir heut nichts 
Gut's. 
Laß dich den guten Engel warnen, 
Und nicht vom Bösen dich umgarnen!" —
	        
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