Full text: Sieben Bücher deutscher Dichtungen

I. Älterer Zeitabschnitt. (1740-1800). 
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An dem Himmel 
Strahlt die Sonn' im Brautgeschmeide, 
Weiße Wölklein steigen ans, 
Zieh'n dahin im stillen Lauf; 
Gottes Schäflein geh'n zur Weide. 
Herzensfrieden! 
Woll' ihn Gott uns allen geben! 
O dann ist die Erde schön! 
In den Gründen, auf den Höhn 
Wacht und singt ein frohes Leben. 
Schwarze Wetter 
Ueberzieh'n den Himmelsbogen, 
Und der Vogel singt nicht mehr. 
Winde brausen hin und her, 
Und die wilden Wasser wogen. 
Rote Blitze 
Zucken hin und zucken wieder, 
Leuchten über Wald und Flur, 
Lange harrt die Kreatur! 
Donnerschläge stürzen nieder. 
Gut Gewissen, 
Wer es hat, und wer's bewacht, 
In den Blitz vom Weltgericht 
Schaut er, und erbebet nicht, 
Wenn der Grund der Erde kracht. 
I. P. Hebel. 
Der Abendstern. 
Willkommen, willkommen! Schon 
wieder da! 
Und schon denselben Bergen nah, 
Du lieber, schöner Abendstern? 
— Bei seiner Mutter wär' er gern! 
Er trippelt nach mit mattem Schein 
Und holt sie eben doch nicht ein. 
Von allen Sternen groß unb klein 
Ist er der liebste, er allein. 
iL-ein Brüderlein, der Morgenstern, 
O nein, sie hat ihn nicht so gern, 
Drum, wo sie wandelt aus und ein. 
Da muß ihr Liebling um sie sein. 
Früh, wenn sie aus dem Schlaf sich hebt, 
Und steigend überm Schwarzwald schwebt, 
Sie führt das Knäblein an der Hand, 
Sie zeigt ihm Berg und Strom und 
Land. 
Er hüpft und springt, doch warnt sie 
schon: 
„Der Weg ist weit, gemach, mein Sohn!" 
F. Knauth, Sieben Bücher d. Dicht. 
Er schaut sich um, fragt mancherlei; 
Sie lehrt ihn treulich was es sei. 
„O Mutter," ruft er, „Mutter, schau!" 
Da unten strahlt's im Morgentau, 
Schön, wie in deinem Himmelssaal." 
„„Drum,"" sagt sie, „„ist's dasWiesen- 
thal."" 
„„Nun fort, mein Sohn, und folge 
mir, 
Wir haben nicht zu säumen hier."" 
Jetzt schlüpft er ihren Händen aus, 
Springt manchem Wölkchen klein und 
kraus 
Mit leichten Füßen nach und schlägt 
Das Hütchen drauf — und — ist 
geneckt. 
Doch wie die Sonne höher steigt, 
Und unter ihr der Rhein sich zeigt, 
So warnt sie ihn: „Hier ist Gefahr!" 
Sie beut die Mutterhand ihm dar. 
Sie knöpft ihm schnell das Röcklein ein, 
Und führt ihn sorglich über'n Rhein. 
Doch, wie sie ob dem Elsaß steht 
Und mächtig wieder abwärts geht. 
Wie wird das Bürschlein müd' und 
still. 
Es weiß nicht, wie sich's helfen will. 
Sie tröstet ihn, sie spricht ihm zu: 
„Bald kommst du heim in deine Ruh'." 
Doch, wie sie ob den Bergen steht 
Am roten Himmel tiefer geht, 
Und er von weitem, niatt und müd', 
Die süße liebe Heimat sieht, 
Läßt er das Mütterchen voran 
Und zottelt nach, so gut er kann. 
Zur Heimat wandeln Herd und 
Hirt; 
Der Vogel schweigt, der Käser schwirrt. 
Schon tönt die stille Flur entlang 
Der Heimchen frommer Nachtgesang. 
„Jetzt," denkt er, „hab' ich hohe Zeit! 
Doch ist's, gottlob, auch nimmer weit." 
O seht ihn, wie er niedersinkt 
Und heller jetzt und heller blinkt! 
Die Mutter steht schon vor dem Haus 
Und streckt nach ihm die Arme aus. 
Jetzt sinkt er freudig niederwärts. 
Jetzt ist ihm wohl am Mutterherz. 
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