H. Sachs: Die ungl. Kinder d. Eva. Ein Volksbuch. Die Schildbürger. 85
Wenn der Herr morgen ein wird gehn,
Daß ihr sauber vor ihm thut stehn!
So wird der Herr den Kain finden
Mit andern ungehorsam':: Kinden
Unlustig, zottig wie die Sän,
Wenn sie gelegen in der Streu,
Eine wüst' zerhaderte Rott'.
Abel: Ja, Mutter, ich will dir und Gott
Gar willig und gehorsam sein,
Dieweil ich hab' das Leben mein
Samt andern frommen Kinderlein.
56. Die Schildbürger.
Ein Volksbuch aus der Mitte des sechzehnten Jahrhunderts.
fi. Wie die Schildbürger ihre Glocken in den See verbergen.
Auf eine Zeit, als Kriegsgeschrei einfiel, fürchteten die Schildbürger
ihrer Hab und Güter sehr, daß ihnen die nicht von den Feinden geraubt
und hinweggeführt würden; sonderlich aber war ihnen Angst für eine
Glocke, welche auf ihrem Rathaus hing; gedachten, man würde ihnen die¬
selbe hinwegnehmen und Büchsen daraus gießen. Also wurden sie nach
langem Ratschlag eins, dieselbe bis zu Ende des Krieges in den See zu
versenken und sie alsdann, wenn der Krieg vorüber und der Feind hinweg
wäre, wiederum herauszuziehen und wieder aufzuhenken; tragen sie derowegen
in ein Schiff und führen's auf den See. Als sie aber die Glocke wollen
hineinwerfen, sagt einer ungefähr: „Wie wollen wir aber den Ort wieder¬
finden, da wir sie ausgeworfen haben, wenn wir sie gern wieder hätten?"
„Da lasse dir," sagte der Schultheiß, „kein graues Haar wachsen!"
ging damit hinzu, und mit einem Messer schnitt er einen Kerb in dem
Schiff an dem Ort, da sie die Glocke hinausgeworfen, sprechend: „Hier
bei diesem Schnitt wollen wir sie wiederfinden." Ward also die Glocke
hinausgeworfen und versenkt. Nachdem aber der Krieg aus war, fuhren
sie wieder auf den See, ihre Glocke zu holen, und fanden den Kerbschnitt
wohl, aber die Glocke konnten sie darum nicht finden noch den Ort im
Wasser, da sie solche hineingesenkt. Mangeln sie also noch heut dies Tages
ihrer guten Glocken.
b. Wie die Schiltbürger das graß auff einer alten Mawren durch ihr Viehe
wollen lassen abschaffen.
Die Schiltbürger waren ernsthafft in ihrem Thun, sonderlich in be-
trachtung des gemeinen nutzes, damit derselb allenthalb auffgieng vnd zu¬
nehme vnd nirgend schaden übte. Auff ein zeit gingen sie hinauß, ein