Full text: Deutsche Gedichte für die Oberstufe Höherer Mädchenschulen

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Martin Opitz. — Simon Dach. — Paul Gerhardt. 
Krankheit, Verfolgung, Betrübnis und Pein, 
soll unsrer Liebe Verknotigung sein. 
Recht als ein Palmenbaum über sich steigt, 
je mehr ihn Hagel und Regen anficht, 
so wird die Lieb' in uns mächtig und groß 
durch Kreuz, durch Leiden, durch allerlei Not. 
Würdest du gleich einmal von mir getrennt, 
lebtest da, wo man die Sonne kaum kennt; 
ich will dir folgen durch Wälder, durch Meer, 
durch Eis, durch Eisen, durch feindliches Heer! 
Annchen von Tharau, mein Licht, meine Sonn'! — 
Mein Leben schließ' ich um deines herum! 
5. Paul Gerhardt (*607—1(676), 
geb. in Gräfenhainichen bei Wittenberg, wurde Pfarrer in INittenwalde, 
1657 Diakonus an der Nikolaikirche in Berlin. Nachdem er 1666 das Berliner 
Pfarramt (Erlaß des Kurfürsten) verloren hatte, erhielt er einen Nuf nach 
Lübben an der 5pree, wo er später auch starb. — Einige der bekanntesten 
und schönsten seiner Kirchenlieder sind: © Haupt voll Blut und Wunden.— 
wie soll ich dich empfangen. — wach auf, mein herz, und singe. — Befiehl 
du deine Wege. — Ich weiß, daß mein Erlöser lebt. — Nun ruhen alle Wälder. 
*3um Friedensschlüsse 1648 A7, 23. 
Morgenlied. 
Die güldne Sonne 
voll Freud' und Wonne 
bringt unsern Grenzen 
mit ihrem Glänzen 
ein herzerquickendes, liebliches Licht. 
Mein Haupt und Glieder, 
die lagen darnieder, 
aber nun steh' ich, 
bin munter und fröhlich, 
schaue den Himmel mit meinem Gesicht. 
Lasset uns singen, 
dem Schöpfer bringen 
Güter und Gaben! 
Was wir nur haben, 
alles sei Gotte zum Opfer gesetzt. 
Die besten Güter 
sind unsre Gemüter, 
dankbare Lieder 
sind Weihrauch und Widder, 
an welchen er sich am meisten ergötzt. 
Abend und Morgen 
sind seine Sorgen, 
segnen und mehren, 
Unglü^ verwehren 
sind seine Werke und Taten allein. 
Wann wir uns legen, 
so ist er zugegen; 
wann wir aufstehen, 
so läßt er aufgehen 
über uns seiner Barmherzigkeit Schein. 
Menschliches Wesen, 
was ist's? gewesen. 
In einer Stunde 
geht es zugrunde, 
sobald das Lüftlein des Todes drein 
Alles in allen [bläst: 
muß brechen und fallen; 
Himmel und Erden, 
die müssen das werden, 
was sie vor ihrer Erschaffung gewest.
	        
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