Full text: Dichtungen der neueren Zeit

Die schwäbischen Dichter. Eduard Mörike. 
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Mich richtig von der Stange los. 
Mein alt preßhafter Leib schier brach, 
Da er mit mir fuhr ab dem Dach 
45 Und bei den Glocken schnurrt' hinein; 
Die glotzten sehr verwundert drein, 
Regt' ihnen doch weiter nicht den Mut, 
Dachten eben: wir hangen gut. 
Jetzt that man mich mit altem Eisen 
50 Dem Meister Hufschmied überweisen; 
Der zahlt zween Batzen und meint wunder, 
Wieviel es wär für solchen Plunder. 
Und also ich selben Mittag 
Betrübt vor seiner Hütte lag. 
55 Ein Bäumlein — es war Maienzeit — 
Schneeweiße Blüten auf mich streut, 
Hühner gackeln um mich her, 
Unachtend, was das für ein Vetter wär'! 
Da geht mein Pfarrherr nun vorbei, 
60 Grüßt den Meister und lächelt: „Ei, 
Wür's so weit mit uns, armer Hahn? 
Andrees, was fangt Ihr mit ihm an? 
Ihr könnt ihn weder sieden noch braten, 
Mir aber müßt' es schlimm geraten, 
65 Einen alten Kirchendiener gut 
Nicht zu nehmen in Schutz und Hut. 
Kommt! tragt ihn mir gleich vor ins Haus, 
Trinket ein kühl Glas Wein mit aus." 
Der rußig Lümmel, schnell bedacht, 
70 Nimmt mich vom Boden aus und lacht. 
Es fehlt' nicht viel, so that ich frei 
Gen Himmel einen Freudenschrei. 
Im Pfarrhaus ob dem fremden Gast 
War groß und klein erschrocken fast; 
75 Bald aber in jedem Angesicht 
Ging auf ein rechtes Freudenlicht. 
Frau, Magd und Knecht, Mägdlein und Buben 
Den großen Gockel in der Stuben 
Mit siebenfacher Stimme Schall 
80 Begrüßen, begucken, betasten all'. 
Der Gottesmann drauf mildiglich 
Mit eig'nen Händen trügt er mich 
Dichtungen d. neueren Zeit. Z
	        
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