Full text: Dichtungen der neueren Zeit

Heinrich Heine. 
211 
Es wogten die Fluten, 
10 Sie wogten und brausten; 
Die Sonne goß eilig herunter 
Die spielenden Rosenlichter; 
Die aufgescheuchten Möwenzüge 
Flatterten fort, lautschreiend; 
15 Es stampften die Rosse, es klirrten die Schilde, 
Und weithin erscholl es wie Siegesruf: 
„Thalatta! Thalatta!" 
Sei mir gegrüßt, du ewiges Meer! 
Wie Sprache der Heimat rauscht mir dein Wasser, 
20 Wie Träume der Kindheit seh ich es flimmern 
Auf deinem wogenden Wellengebiet, 
Und alte Erinnrnng erzählt mir aufs neue 
Von all dem lieben, herrlichen Spielzeug, 
Von all den blinkenden Weihnachtsgaben, 
25 Von all den roten Korallenbäumen, 
Goldfischchen, Perlen und bunten Muscheln, 
Die du geheimnisvoll bewahrst 
Dort unten im klaren Krystallhaus. 
O, wie hab' ich geschmachtet in öder Fremde! 
30 Gleich einer welken Blume 
In des Botanikers blecherner Kapsel 
Lag mir das Herz in der Brust. 
Mir ist, als saß ich winterlange, 
Ein Kranker, in dunkler Krankenstube, 
35 Und nun verlaß ich sie plötzlich, 
Und blendend strahlt mir entgegen » 
Der smaragdene Frühling, der sonnengeweckte, - 
Und es rauschen die weißen Blütenbäume, 
Und die jungen Blumen schauen mich an 
40 Mit bunten, duftenden Augen, 
Und es duftet und summt und atmet und lacht, 
Und im blauen Himmel singen die Vöglein — 
Thalatta! Thalatta! 
III. Romanzen. 
1. Äie Lorelei. 
(„Ich weiß nicht, was soll es bedeuten.") 
14*
	        
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