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I. Erster Zeitraum. D. Die Zeit von 1815—1830.
2. Zwei Brüder.
1. Oben auf der Vergesspitze
Liegt das Schloß, in Nacht gehüllt;
Doch im Thale leuchten Blitze,
Helle Schwerter klirren wild.
2. Das sind Brüder, die dort fechten
Grimmen Zweikampf, wutentbrannt.
Sprich, warum die Brüder rechten
Mit dem Schwerte in der Hand?
3. Gräfin Lauras Augenfunken
Zündeten den Brnderstreit;
Beide glühen liebestrunken
Für die adlig holde Maid.
4. Welchem aber von den beiden
Wendet sich ihr Herze zu?
Kein Ergrübeln kann's entscheiden —
Schwert, heraus, entscheide du!
5. Und sie fechten kühn verwegen,
Hieb auf Hiebe niederkrach t's.
Hütet euch, ihr wilden Degen!
BösesBlendwerk schleicht des Nachts.
6. Wehe! Wehe! blut'ge Brüder!
Wehe! Wehe! blut'ges Thal!
Beide Kämpfer stürzen nieder,
Einer in des andern Stahl. —
7. Viel Jahrhunderte verwehen,
Viel Geschlechter deckt das Grab;
Traurig von des Berges Höhen
Schaut das öde Schloß herab.
8. Aber nachts, im Thalesgrunde,
Wandelt's heimlich, wunderbar;
Wenn da kommt die zwölfte Stunde,
Kämpfet dort das Brüderpaar.
<3. Die Wallfahrt nach Kevlaar.
I.
1. Am Fenster stand die Mutter,
Im Bette lag der Sohn.
„Willst du nicht aufstehn, Wilhelm,
Zu schaun die Prozession?" —
2. „Ich bin so krank, o Mutter,
Daß ich nicht hör' und seh';
Ich denk' an das tote Gretchen,
Da thut das Herz mir weh." —
3. „Stehauf, wirwollennachKevtaar,
Nimm Buch und Rosenkranz;
Die Mutter Gottes heilt dir
Dein krankes Herze ganz."
4. Es flattern die Kirchenfahnen,
Es singt im Kirchenton;
Das ist zu Köln am Rheine,
Da geht die Prozession.
5. Die Mutter folgt der Menge,
Den Sohn, den führet sie,
Sie singen beide im Chore:
„Gelobt seist du, Marie!"
II.
1. Die Mutter Gottes zu Kevlaar
Trägt heut ihr bestes Kleid;
Heut hat sie viel zu schaffen,
Es kommen viel kranke Leut.
2. Die kranken Leute bringen
Ihr dar als Opferspend'
Aus Wachs gebildete Glieder,
Viel wächserne Fuß' und Händ'.