Ernst von Wildenbruch.
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2. Flatternde Möwe, Freundin der Wellen,
Schaumgekleidete Meeresgespielin,
Schüttle die feuchten, eilenden Schwingen,
Bring einen Hauch mir vom ewigen Meer.
3. Kreischende Botin des rollenden Sturmes,
Offne den Schnabel, ruf nur herunter
Nur einen Laut mir des hallenden Donners
Aus dem Busen des ewigen Meers.
4. Hier, ach im Lande, lieg' ich gefesselt,
Knarrenden Schrittes umschleicht mich Gewohnheit,
Ferne verschwindend winkt mir der Freiheit
Lilienumflochtene göttliche Stirn.
5. Nebel umqualmt mich — Staub — ach, erstickt mich,
Stürme, du Schicksal; lieber im Sturze
Laß mich zerschmettern, lieber im Wirbel
Laß mich versinken des kochenden Meers!
6. Sei es auf Leben, sei es auf Sterben,
Einmal nur stille ganz dieses Auge,
Einmal durchhauche ganz diesen Busen,
Furchtbare, herrliche, mächtige Welt!
2. Das
1. Hoch auf den Alpenstirnen,
In menschenloser Höh',
An Schlünden und an Firnen,
Tief hinter tiefem Schnee,
2. In ihrem Heiligtume
Von Bergkrystall und Eis,
Da blüht die Alpenblume,
Das keusche Edelweiß.
3. Entrücket und verborgen
Vor Menschen dort sie steht,
Und dem gebiert sie Sorgen,
Der sie zu sucheu geht:
4. Der sei behend im Schreiten,
Mühselig ist sein Weg,
Des Fuß darf nicht entgleiten,
Gefahrvoll ist sein Steg;
Edelweiß.
5. Der Mensch sei ohne Bangen,
Sein Herz sei voller Fleiß,
Leicht giebt sich nicht gefangen
Das stolze Edelweiß.
6. Wer müder wird und träger.
Der suche länger nicht,
Dem kühnsten nur der Jäger
Zeigt sie ihr Angesicht.
7. Nur wer mit Leib und Leben
Inbrünstig um sie minnt,
Darf es zum Herzen heben,
Das strenge Alpenkind.
8. Doch wenn sie der erblicket
Auf nie betret'nen Höh'n,
Dann wird er tief entzücket
Vor ihrer Schönheit stehn.