374
II. Zweiter Zeitraum. C. Die Lyrik.
7. Mir ist auf hohem Felsvorsprung
Kein Schloß so hoch, ich komme;
Mir ist kein junges Blut zu jung,
Kein Leib ist inir gesund genung,
Mir ist kein Herz zu fromme.
8. Wem ich nur schau' ins Aug' hinein,
Der mag kein Licht mehr sehen;
Wem ich gesegnet Brot und Wein,
Den hungert nur nach Staub allein,
Den durstet's heimzugehen.
9. Im Osten starb der große Chan,
Auf Indiens Zimmetinseln
Starb Negerfürst und Muselmann,
Man hört auch nachts in Jspahan
Beim Aas die Hunde winseln.
10. Byzanz war eine schöne Stadt,
Und blühend lag Venedig;
Nun liegt das Volk wie welkes Blatt,
Und wer das Laub zu sammeln hat,
Wird auch der Mühe ledig.
11. An Nordlands letztem Felsenriff
In einen kleinen Hafen
Warf ich ein ansgestorbnes Schiff,
Und alles, was mein Hauch ergriff,
Das mußte schlafen, schlafen.
12. Sie liegen in der Stadt umher,
Ob Tag' und Monde schwinden;
Es zählt kein Mensch die Stunden mehr,
Nach Jahren wird man öd' und leer
Die Stadt der Toten finden.
3. Mittagszauber.
1. Vor Wonne zitternd hat die Mittagsschwüle
Auf Thal und Höh' in Stille sich gebreitet,
Man hört nur, wie der Specht im Tannicht scheitet,
Und wie durchs Tobel rauscht die Sägemühle.
2. Und schneller fließt der Bach, als such' er Kühle,
Die Blume schaut ihm durstig nach und spreitet
Die Blätter sehnend aus, und trunken gleitet
Der Schmetterling vom seidnen Blütenpfühle.
3. Am Ufer sucht der Fährmann sich im Nachen
Aus Weidenlaub ein Sonnendach zu zimmern
Und sieht ins Wasser, was die Wolken machen.
4. Jetzt ist die Zeit, wo oft im Schilf ein Wimmern
Den Fischer weckt; der Jäger hört ein Lachen,
Und golden sieht der Hirt die Felsen schimmern.
4. Watdnacht.
1. Wie uralt weht's, wie längst verklungen
In diesem tiefen Waldesgrün —
Ein Träumen voller Dämmerungen,
Ein dichtverschlungnes Wnnderblühn!