VIII. Mathematisches und Naturwissen¬
schaftliches.
1. Entwicklung der mathematischen Wissenschaften im
Altertum.
Wilhelm Wägner, Hellas ll. Leipzig und Berlin.
Die mathematischen Wissenschaften wurden in weitester Aus¬
dehnung betrieben und nach einer Methode behandelt, die wohl niemals
ihre Geltung verlieren wird. Der Begründer dieser Methode war der be¬
rühmte Eukleides in Alexandreia. In seinen Büchern über Geometrie,
Stereometrie und Arithmetik ist ein Satz aus dem andern gefolgert, und
die Beweise sind alle mit größter Strenge geführt. Als der erste Ptolemüos
eine leichtere Methode für sich wünschte, sagte Eukleides: „Für Könige gibt
es keinen besondern Weg zur Geometrie."
Aratos, ein andrer Gelehrter, beschrieb nach einem astronomischen
Werke aus früherer Zeit den Sternenhimmel in einem Gedicht, das für
alle Gebildete ein Handbuch wurde. So unvollständig die Beschreibungen
darin sind, so haben doch wissenschaftliche Männer nicht verschmäht, es zu
erklären, da es allgemein verbreitet war. Erato st he n es war durch seine
ausgebreitete Gelehrsamkeit und sein umfangreiches Wissen einer der be¬
deutendsten Männer des ganzen griechischen Altertums. Er suchte den
Umfang der Erde durch eine Gradmessung zwischen Alexandreia und Syene
an der Grenze von Oberügypten und Äthiopien zu finden. Obgleich diese
Messung wegen der Unvollkommenheit der Instrumente sehr wenig genau
ausfallen mußte, so ist sie doch als die erste, die überhaupt vorgenommen
wurde, bemerkenswert.
Archimedes leistete noch Größeres. Er war ein Anverwandter des
Königs Hieron zu Syrakus, der mit den Gelehrten zu Alexandreia stets in
Verbindung stand. In allen Teilen der niederen und höheren Mathematik,
der Mechanik und Hydrostatik machte er die wichtigsten Erfindungen und
Entdeckungen und zeigte ihre praktische Anwendung. Unter anderm fand
er das Verhältnis des Durchmessers zum Umfang des Kreises. Er nahm
7 zu 22 an, was für den Gebrauch im gewöhnlichen Leben genügt. Mit
nicht weniger Scharfsinn ermittelte er, daß der Inhalt der Kugel zwei Drittel
des um sie beschriebenen Zylinders ist und daß ein Parabelabschnitt in dem¬
selben Verhältnis zu dem um ihn beschriebenen Rechteck steht. Er lehrte,
daß nicht allein die Menge des Meersandes, sondern auch eine Masse von
Paldamus, Lesebuch, Ausg. 0, Teil VII. 27