17 Kûdrûn diu schœne diu sach und hört den schal.
gelücke daz ist sinewel dicke alsam ein bal.31)
do ez diu frouwe niht anders mohte scheiden,
ir vater und dem gaste si wünschte, des si gedâhte in beiden.32)
18 Siu begunde rüefen zuo im über den sal:33)
‘Hetele, vater höre, nu fliuzet hin zetal
daz bluot durch halsperge: da von sint uns die mûre
besprengen34) allenthalben; Herwic ist ein übel nâchgehûre.
19 Durch den minen willen35) so suit irz beide friden.36)
nu schaffet eine wile dem herzen und den gliden 37)
ruowe in dem strite, unz ich iuch beide frage,
wä der fürste Herwic habende si die aller beste mäge.’38)
20 Do sprach der ritter edele : ‘der fride ist ungetan,39)
ir lät mich ungewäfent, frouwe, für iuch gän:
sö wil ich iu künden von minen besten mägen.
hän ich fride die zite,40) swes ir weit sö mügt ir mich wol fragen.'
21 Mit hundert siner beide gieng er da er vant
gezweiet in ir muote41) von Hegelinge lant
Kûtrûn die schcenen mit andern ir frouwen:
der ritter edel und guote mohte in volliclichen niht getrouwen.
22 Herwic sprach zer frouwen : ‘mir ist daz geseit, —
doch höt ez iuch gerouwen von miner arbeit,42) —
daz ich iu versmähe durch min lihtez künne:43 *)
dicke bi den armen habent riche liute guote wünne.’
3i) Das Glück ist rund wie eine Kugel, d. h. es ist unbeständig; —
es bezeichnet hier die schnelle Sinnesänderung der Jungfrau. — 32) Da es
die schöne Frau nicht anders lösen (schlichten) konnte, so wünschte sie ihrem
Vater sowohl wie dem Gaste, das was sie ihnen beiden gedachte, d. h.
die Erfüllung ihrer beiderseitigen Gedanken. — 33) über den sal, durch
den Saal. — 34) besprengen, besprengt. — 35) durch den minen willen,
um meinetwillen. — 36) friden, Frieden schließen. — 37) glit, Glied.
38) Kudrun will Herwig nach seinen Magen fragen, auch möchte sie wissen, ob er
an Macht und Herrschaft ihrem Vater gleichsteht und so als ebenbürtiger Be¬
werber angesehen werden kann. — 39) der fride ist ungetan, zum Frieden
kommt es nicht, außer ... — 40) die zite, während der Zeit. — 4i) ihr
Sinn war noch unentschieden; sie schwankte, wem sie sich zuneigen sollte,
den Eltern oder dem Geliebten. — 42) arbeit, Anstrengung. 43) lihtez
künne, geringes Geschlecht; daß ich euch wegen meiner geringen Herkunft
verächtlich erscheine. —
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