104 II Das neue Deutschland unter Kaiser Wilhelm II.
das von ihm bewirkte Eintreten Deutschlands in die
Weltpolitik und in Verbindung damit für starke deutsche
Seegeltung. Gleichwohl kann man sich heute von der
Verständnislosigkeit, die damals solcher Zielsetzung
in breiten Schichten des deutschen Volks begegnete,
kaum noch ein richtiges Bild machen. Aus dem Bor¬
stellungskreis Bismarckischer Zeit heraus lag ja, ivie
schon erwähnt, der. Schwerpunkt des Deutschen Reichs
durchaus in Europa. Inmitten der Völker des euro¬
päischen Kontinents die schwer errungene politische
Machtstellung zu behaupten, war zu jeuer Zeit Deutsch¬
lands wichtigste Aufgabe, in deren Dienst Bismarck mit
so glänzendem Erfolge auf der Wacht stand. Mithin
suchte man damals die militärische Kraft in der Armee,
die allein imstande war, das Deutsche Reich in seiner
exponierten Lage gegen äußere Angriffe zu sichern.
Diese Grundauffassung ist an sich bis auf den heu¬
tigen Tag richtig geblieben. Was Bismarck in der
Reichstagssitzung vom 14. Juli 1882 sagte, gilt auch
heute noch, daß nämlich unsere „ganze politische Kraft
scheitern" würde, „ohne den Respekt, den wir einflößen,
ohne die Abneigung, die man hat, mit unseren wohl¬
geschulten, intelligenten und wohlgeführten Bajonetten
anzubinden". Es braucht auch nicht erst dargelegt zu
werden, daß Kaiser Wilhelm II. zu allen Zeiten die
erforderlichen Konsequenzen aus solcher Sachlage ge¬
zogen hat. Die unter seiner Regierung verabschiedeten
Heeresvorlagen sind ein deutlicher Beweis dafür — zu
schweigen von jenem großen Werk, das gegenwärtig im
Reichstag zu Ende geführt wird st. Bei alledem darf
st Die letzte große Heeresvorlage von 1913.