Full text: Deutsches Lese- und Bildungsbuch für höhere katholische Schulen

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Ach! die Gattin ist's, die theure, 
Ach! es ist die treue Mutter, 
Die der schwarze Fürst der Schatten 
Wegführt' aus dein Arm deö Gatten, 
Aus der zarten Kinder Mitte, 
Die sie lehrte fromme Sitte, 
Die sie an der treuen Brust 
Wachsen sah mit Mutterlust — 
Ach! des Hauses zarte Bande 
Sind gelöst auf immerdar, 
Denn sie wohnt im Schattenlande, 
Die des Hauses Mutter war; 
Denn es fehlt ihr treues Walteil, 
Ihre Sorge wacht nicht mehr; 
An verwaister Stätte schalten 
Wird die Fremde, liebeleer. 
Bis die Glocke sich verkühlet, 
Laßt die strenge Arbeit ruh'n! 
Wie im Laub der Vogel spielet, 
Mag sich Jeder gütlich thun. 
Winkt der Sterne Licht, 
Ledig aller Pflicht 
Hört der Bursch die Vesper schlagen; 
Meister muß sich immer plagen. 
Munter fördert seine Schritte 
Fern inr wilden Forst der Wand'rer 
Nach der lieben Heimathütte. 
Blöckend ziehen heim die Schafe, 
Und der Rinder 
Breitgestirnte, glatte Scharen 
Kommen brüllend, 
Die gewohnten Ställe füllend. 
Schwer herein 
Schwankt der Wagen, 
Kornbeladeu; 
Bunt von Farben 
Alls den Garben 
Liegt der Kranz, 
Und das junge Volk der Schllitter 
Fliegt zum Tanz. — 
Markt und Straße werden stiller; 
Um des Lichts gesell'ge Flamme 
Sammeln sich die Hausbewohner, 
Und das Stadtthor schließt sich knarrend. 
Schwarz bedecket sich die Erde, 
Doch den sichern Bürger schrecket 
Nicht die Nacht, 
Die den Bösen gräßlich wecket, 
Denn das Auge des Gesetzes wacht. — 
Heil'ge Ordnung, segensreiche 
Himmelstochter, die das Gleiche 
Frei und leicht und freudig bindet, 
Die der Städte Bau gegründet, 
Die herein von den Gefilden 
Rief den ungesell'gen Wilden, 
Eintrat in der Menschen Hütten, 
Sie gewöhnt zu sanften Sitten 
Und das theuerste der Bande 
Wob, den Trieb zum Vaterlande. 
Tausend fleiß'ge Hände regen, 
Helfen sich in munterm Bund, 
Und in feurigem Bewegen 
Werden alle Kräfte kund. 
Meister rührt sich und Geselle 
In der Freiheit heil'gem Schutz, 
Jeder freut sich seiner Stelle, 
Bietet dem Verächter Trutz. 
Arbeit ist des Bürgers Zierde, 
Segen ist der Mühe Preis; 
Ehrt den König seine Würde, 
Ehret uns der Hände Fleiß. — 
Holder Friede, 
Süße Eintracht, 
Weilet, weilet 
Freundlich über dieser Stadt! 
Möge nie der Tag erscheinen, 
Wo des rauhen Krieges Horden 
Dieses stille Thal durchtoben. 
Wo der Himmel, 
Den des Abends saufte Röthe 
Lieblich malt, 
Von der Dörfer, von der Städte 
Wildem Brande schrecklich strahlt. 
Nun zerbrecht mir das Gebäude! 
Seine Absicht hat's erfüllt, 
Daß sich Herz und Auge weide 
An dem wolgeluug'nen Bild. 
Schwingt den Hammer, schwingt, 
Bis der Mantel springt! 
Wenn die Glock' soll auferstehen, 
Muß die Form in Stücken gehen. 
Der Meister kann die Form zerbrechen, 
Mit weiser Hand, zur rechten Zeit; 
Doch wehe, wenn in Flammenbächen 
Das glüh'nde Erz sich selbst befreit; 
Blindwüthend mit des Donners Krachen 
Zersprengt es das geborst'ne Haus, 
Und ww aus offnem Höllenrachen 
Speit es Verderben zündend aus! 
Wo rohe Kräfte sinnlos walten, 
Da kann sich kein Gebild gestalten; 
Wenn sich die Völker selbst befrei'n, 
Da kann die Wolfahrt nicht gedeih'n. 
Weh, wenn sich im Schoß der Städte 
Der Feuerzunder still gehäuft; 
Das Volk, zerreißend seine Kette, 
Zur Eigenhülfe schrecklich greift! 
Da zerret an der Glocke Strängen 
Der Aufruhr, daß sie heulend schallt, 
Und, nur geweiht zu Friedensklängen, 
Die Losung anstimmt zur Gewalt. 
Freiheit und Gleichheit! hört man schallen 
Der ruh'ge Bürger greift zur Wehr, 
Die Straßen füllen sich, die Hallen, 
Und Würgerbanden zieh'n umher; 
Da werden Weiber zu Hyänen 
Und treiben mit Entsetzen L-cherz: 
Noch zuckend, mit des Panthers Zähnen, 
Zerreißen sie des Feindes Herz.
	        
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