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verstummte er: doch die gewaltige Klage, die er ausgesprochen hatte, tönte
uns noch immer in den Ohren.
Nach einer Pause sagte Rosko: „Dieser furchtbare Schrei verkündet ruis
den Tod Ihres Lieblingspserdes, gnädiger Herr. Ich habe diesen Schrei oft
von Pferden auf dem Schlachtfelde im Todeskampse gehört. Es ist gewiß,
daß die armen Thiere eine Beute der Wölfe geworden find, welche sie fetzt
verschlingen und uns deßhalb etwas Ruhe lassen; bald aber werden sie blut¬
dürstiger als zuvor zu uns zurückkehren."
Der alte Rosko sprach die Wahrheit. Die Bestien begannen bald auf's
Neue ihre Angriffe gegen die Hütte, und wir konnten sogar erkennen, daß ihre
Wuth sich vermehrt haben mußte; denn sie machten gewaltige Anstrengungen,
um an den Wanden heraus auf das Dach zu klettern. Voll Erwartung blick¬
ten wir in die Höhe; da vertrieb ein Windstoß den Rauch und zeigte uns
den klaren Himmel, zugleich aber auch vier bluttriefende Wolfsrachen.
Mit großer Ruhe, die wir Andere nicht theilten, sagte der alte Rosko:
„Von denen haben wir nichts zu fürchten; sie scheuen das Feuer und sind
darum jetzt so geblendet, daß sie uns nicht einmal unterscheiden."
Plötzlich entstand ein furchtbares Krachen; in demselben Augenblick ver¬
schwanden drei der Ungethüme, das vierte aber stürzte durch das zusammen¬
brechende Dach zu uns herunter, gerade in das Feuer.
„Schießen Sie, aber zielen Sie gut!" rief Rosko mir zu, während er
zugleich das Gewehr ergriff. Ich schoß und traf, und Rosko versetzte dem
Wolf mit dem Kolben vollends den Todesstreich.
Wir warfen das getödtete Thier, dessen mit den Flammen vermischtes
Blut einen stinkenden Qualm hervorgebracht hatte, in eine Ecke, und der alte
Rosko sagte dabei: „Das ist wahrscheinlich der einzige Besuch der Art,
welchen wir während der Nacht zu fürchten haben; aber der Tag wird uns
mehr von diesen Gästen zuführen, als wir zu tobten im Stande sind."
Diese Worte hatte ich allein gehört und fragte ihn flüsternd, was wir
denn für den Tag zu fürchten hätten, da wir doch hoffen dürften, daß die
Wölfe sich dann in das Innere des Waldes zurückziehen würden.
„Das ist nicht zu hoffen," antwortete er; „denn da, wo die Wölfe sich
in großer Anzahl versammeln, scheuen sie auch das Licht des Tages nicht.
So lange unser Holzvorrath vorhält, sind wir wol gegen einen Angriff von
oben gesichert; aber dennoch bleibt uns keine andere Hoffnung, als die
Frauen und unser Leben auf's Aeußerste zu vertheidigen. Was sollen wir
aber anfangen, wenn die Nacht wiederkehrt, und unser Holz zu Ende geht?"
So war denn meine letzte Hoffnung vernichtet, und unser Verderben
schien mir jetzt unvermeidlich; die Bitterkeit der Verzweiflung bemächtigte sich
daher meiner Seele auf's Neue. Dennoch bot ich Alles auf, Aninia meine
Unruhe zu verbergen, und ich war froh, als die Ermüdung sie in einen festen
schlaf versenkte; das freundliche Lächeln aber, welches im Schlafe ihre Lippen
umspielte, zerschnitt mir das Herz.
Der alte Rosko fuhr schweigend fort, das Feuer 51t unterhalten. Er
hatte Recht gehabt; keines der Thiere ließ sich an der Oeffnung im Dache
blicken, aber das Kratzen an der Thüre und das Geheul währte die ganze
Nacht fort.
Ehe Rosko mir seine Besorgnisse mittheilte, riefen alle meine Wünsche
den Tag herbei; nun aber wünschte ich, daß die Nacht ohne Ende sein möchte.
Ach, was hätten wir dadurch gewonnen, als den langsamen Hungertod statt
des schnelleren durch den Nachen der Wölfe!
Endlich begannen die Sterne zu erbleichen und der gefürchtete Tag brach
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