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II. Vom Morgen zum Abend.
Ausgewählte Oedichte.
Herbst.
In Feldeseinsamkeit am Buchenhain,
Der weit auf blauen Meeresspiegel blickte,
Wo schwarz am blätterdürren Rain
Die Brombeertraube niedernickte —
Wo leis im linden Sonnenlicht
Der Wind durch gelbe Stoppeln zog,
Am blaffes Blumenangesicht
Ein schwingenmüder Falter zog —
Ins Blau vom roten Lagdornzaun
Stieg eine Eiche, hoch und braun,
Drin sang, wie lächelnd so der Sommer schied,
Ein kleiner wilder Vogel noch ein Lied:
„Blütenpracht
In den Zweigen
Ist nur bunter Elfenreigen,
Nur ein Traum der Sommernacht.
Wirst du wach,
Keine Klage
Bringt zurück verlorene Tage,
And vergebens schaust du nach.
Äalt bereit
Neue Schwinge,
Daß sie dich hinüberbringe
Zur Erinnrung schöner Zeit!"
Er hob sein Lied mit immer gleichem Ton
And ließ es fallen stets in gleicher Weise;
Dann ward es still, ein Zweig nur schwankte leise,
Der kleine letzte Sänger war entflohn.
Vom winddurchsummten Wipfel fielen nur
Die braunen Eicheln zum Gezirp der Grille,
Schräg sank die Sonne über Wald und Flur,
And kühle Schatten wuchsen durch die Stille.
Glocken.
Aber die Felder zieht es so weit,
Äochzeitsgeläut oder Trauergeleit:
Summender Glocken singender Klang
Wiegt sich's im Winde den Wegzaun entlang,
Wallt auf des Frühlings flimmernder Saat,
Streift um den heimlichen Eichenbuschpfad —
Sacht nun verschwebend, wie zitternd entflohn.
Neu sich belebend mit schwellendem Ton,
Schwingend und klingend um graues Gestein,
Schwirrend wie Bienen am sonnigen Rain,
Schattendurchirrend, allüberall —
Tief nun im Wald ein verhallender Schall
Zwischen den Stämmen, im grünen Geäst,
Leis wie im Laubdach ein zwitscherndes
Nest -
Gleitend auf Wellen und lispelnd im Rohr,
Nieder vom Limmel, vom Boden empor
Steigend und fallend wie Lerchen im März,
Spinnend im Ohr und durchrinnend das Äerz:
Aber die Felder unendlich weit
Lochzeitsgeläut oder Totengeleit.
Seltsame Genossen.
Ist das ein seltsamliches Gewänder:
Ihr schrittet noch eben vergnügt miteinander
Durch Wälder und Wiesen und Sonnenschein;
Du siehst dich um — da gehst du allein.
Er blieb zurück am Weggelände,
Das Wort auf den Lippen, er sprach's nicht
zu Ende;
Ein wunderbarlich Gebaren, und doch
Scheint deins verwunderlicher noch.
Ganz ruhig gehst des Weges du weiter,
Last schnell einen andern vergnügten Begleiter,
And fröhlich wieder zieht ihr drein
Durch Wälder und Wiesen und Sonnenschein.
So geht's eine Weile, das seltsame Wandern:
Dann kommt es an dich, dann hörst du die
andern
Noch weiter lachen ins sonnige Land,
And du bleibst einsam am Wegesrand.
Aus Frauenherzen.
3.
Reich mir die liebe alte Land,
Die Land, die mich durchs Leben führte,
Der zagend einst ich mich entwand.
Als sie zuerst die meine rührte.
Am Bach hier stand der weiße Klee,
Darüber summten goldene Bienen;
Mir klingt's im Ohr; nun liegt der Schnee
Von fünfzig Jahren über ihnen.
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