Full text: Die deutsche Dichtung des 19. Jahrhunderts in ihren Hauptvertretern

324 
Was ^at es gegeben? Schmetterlingsei, 
Mückensalat und Gnitzenbrei 
And Käferbraten famos — 
Zwei Millimeter groß! 
Dann sang uns Vater Goldhähnchen was. 
So zierlich klang's wie gesponnenes Glas. 
Dann wurden die Kinder besehn: 
Sehr niedlich alle zehn! 
Dann sagt' ich: „Adieu!" und: „danke sehr!" 
Sie sprachen: „Bitte, wir hatten die Ehr', 
And hat uns mächtig gefreut!" 
Es sind doch reizende Leut'! 
Das Huhn und der Karpfen. 
Auf einer Meierei 
Da war einmal ein braves Äuhn; 
Das legte, wie die Sühner tun, 
An jedem Tag ein Ei 
And kakelte, 
Mirakelte, 
Spektakelte, 
Als ob's ein Wunder sei! 
Es war ein Teich dabei, 
Darin ein braver Karpfen saß 
And stillvergnügt sein Futter fraß, 
Der hörte das Geschrei: 
Wie's kakelte, 
Mirakelte, 
Spektakelte, 
Als ob's ein Wunder sei! 
Da sprach der Karpfen: „Ei! 
Alljährlich leg' ich 'ne Million 
And rühm' mich des mit keinem Ton; 
Wenn ich um jedes Ei 
So kakelte, 
Mirakelte, 
Spektakelte — 
Was gäb's für ein Geschrei!" 
-- 
3. Hans Hoffman». 
Das Gymnasium zu Stolpenburg. 
Novellen. 
Publius. 
„Publius" ist der Spitzname des Gymnasialoberlehrers Dr. Martin Löwe, eines 
Gelehrten, der zum stillen Schmerz seiner fürsorglichen, trefflichen Frau Dorothea nur seiner 
Wissenschaft, der Philologie, lebte. Als ihm ein Söhnlein geboren wurde, nannte er es Titus 
und träumte davon, daß dieser einst ein berühmter Philologe und eine Zierde der Wissenschaft 
werden würde. Zu seinem Schmerz aber vermochte der Knabe in der Schule nicht die 
Schwierigkeiten der lateinischen Sprache zu überwinden und scheiterte vollends an der Klippe 
des Griechischen. Auf die Bitte der verständigen Mutter bewog der Gymnasialdirektor den 
Vater mit vieler Mühe, den Knaben vom Gymnasium zu nehmen und einer Realschule 
anzuvertrauen. And siehe, dort wurde Titus ein guter Schüler und ein tüchtiger, frischer 
Jüngling. 
Allein der Vater sollte noch einen tiefen Kummer erleben. Als die Jahre 
gingen und die Zeit kam, da Titus vor die Berufswahl gestellt war, entschied er sich 
mit aller Bestimmtheit für den Soldatenstand und zeigte einen so festen, vernünftigen 
Willen, daß der Vater bald seinen Widerstand aufgeben mußte. Aber es war ein 
neuer herber Schlag für ihn. 
„Er ist aus dem Äande der Philosophen in die Kriegerkaste hinabgestiegen," 
klagte er. „Das arme Kind, aber es kann nicht anders. Es muß von der Faust 
leben, da sein Geist verkrüppelt ist. Es war mein Verbrechen, daß ich ihn in die 
Idiotenanstalt ließ; dort ist sein geistiges Teil erstickt." 
Fortan war der letzte Rest von Vaterstolz in ihm geknickt. So hoch er von 
den Spartanern dachte, das moderne Kriegs- und Söldnerwesen war ihm ein Greuel. 
Schon das viele laute Knallen der Feuerwaffe erschien ihm barbarisch und brutal; 
es erinnerte ihn an das wüste Angriffsgeschrei der troischen Asiaten bei Pomer im 
Gegensatz zu dem still gefaßten Anrücken der Achäer. And nun hatte sich sein Titus
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.