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II. Aus dem Leben eines Taugenichts.
Novelle.
Der Vater schickt seinen untätigen, träumerischen Sohn, den „Taugenichts", in die
Welt, daß er sich dort sein Brot erwerbe. Mit der Geige im Arm schlendert der Jüngling
singend auf der Landstraße dahin; ein paar vornehme Damen, denen sein Sang gefällt,
nehmen ihn im Wagen mit nach Wien. In ihrem Schloßgarten wird er Gärtnerbursche.
Zweites Kapitel.
Dicht am herrschaftlichen Garten ging die Landstraße vorüber, nur durch eine
hohe Mauer von derselben geschieden. Ein gar sauberes Zollhäuschen mit rotem
Ziegeldache war da erbaut und hinter demselben ein kleines, buntumzäuntes Blumen-
gärtchen, das durch eine Lücke in der Mauer des Schloßgartens hindurch an den
schattigsten und verborgensten Teil des letztern stieß. Dort war eben der Zolleinnehmer
gestorben, der das alles sonst bewohnte. Da kam eines Morgens frühzeitig, da ich
noch im tiefsten Schlafe lag, der Schreiber vom Schlosse zu mir und rief mich schleunigst
zum Lerrn Amtmann. Ich zog mich geschwind an und schlenderte hinter dem lustigen
Schreiber her, der unterwegs bald da, bald dort eine Blume abbrach und vorn an
den Rock steckte, bald mit seinem Spazierstöckchen künstlich in der Lust herumfocht und
allerlei zu mir in den Wind hineinparlierte, wovon ich aber nichts verstand, weil mir
die Augen und Ohren noch voller Schlaf lagen. Als ich in die Kanzlei trat, wo es
noch gar nicht recht Tag war, sah der Amtmann hinter einem ungeheuern Tintenfasse
und Stößen von Papier und Büchern und einer ansehnlichen Perücke wie die Eule
aus ihrem Nest auf mich und hob an: „Wie heißt Er? Woher ist Er? Kann Er
schreiben, lesen und rechnen?" Da ich das bejahte, versetzte er: „Na, die gnädige
Herrschaft hat Ihm in Betrachtung seiner guten Aufführung und besondern Meriten
die ledige Einnehmerstelle zugedacht." — Ich überdachte in der Geschwindigkeit für
mich meine bisherige Aufführung und Manieren, und ich mußte gestehen, ich fand am
Ende selber, daß der Amtmann recht hatte. And so war ich denn wirklich Zollein¬
nehmer, ehe ich mich's versah.
Ich bezog nun sogleich meine neue Wohnung und war in kurzer Zeit eingerichtet.
Ich hatte noch mehrere Gerätschaften gefunden, die der selige Einnehmer seinem Nach¬
folger hinterlassen, unter andern einen prächtigen roten Schlafrock mit gelben Punkten,
grüne Pantoffeln, eine Schlafmütze und einige Pfeifen mit langen Röhren. Das
alles hatte ich mir schon einmal gewünscht, als ich noch zu Lause war, wo ich immer
unsern Pfarrer so bequem herumgehen sah. Den ganzen Tag (zu tun hatte ich weiter
nichts) saß ich daher auf dem Bänkchen vor meinem Lause in Schlafrock und Schlaf¬
mütze, rauchte Tabak aus dem längsten Rohre, das ich von dem seligen Einnehmer
vorgefunden hatte, und sah zu, wie die Leute auf der Landstraße hin und her gingen,
fuhren und ritten. Ich wünschte nur immer, daß auch einmal ein paar Leute aus
meinem Dorfe, die immer sagten, aus mir würde mein Lebtage nichts, hier vorüber¬
kommen und mich so sehen möchten. — Der Schlafrock stand mir schön zu Gesichte,
und überhaupt das alles behagte mir sehr gut. So saß ich denn da und dachte mir
mancherlei hin und her, wie aller Anfang schwer ist, wie das vornehmere Leben doch
eigentlich recht bequem sei, und faßte heimlich den Entschluß, nunmehr alles Reisen
zu lassen, auch Geld zu sparen wie die andern und es mit der Zeit gewiß zu etwas
Großem in der Welt zu bringen. Inzwischen vergaß ich über meinen Entschlüssen,
Sorgen und Geschäften die allerschönste Frau keineswegs.
Die Kartoffeln und anderes Gemüse, das ich in meinem kleinen Gärtchen fand,
warf ich hinaus und bebaute es ganz mit den auserlesensten Blumen, worüber mich
der Portier vom Schlosse mit der großen kurfürstlichen Nase, der, seitdem ich hier
wohnte, oft zu mir kam und mein intimer Freund geworden war, bedenklich von der