Erzählende Dichtung. 
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Aber obschon es in dem Schlosse überall hell war, so war es doch 
draußen stockdunkel; stockdunkel, sodaß man die Hand vorm Auge nicht sehen 
konnte, stockdunkel Tag und Nacht, jahraus, jahrein und so still wie auf dem 
Kirchhof. Da schloß er das Fenster wieder und setzte sich aufs neue auf seinen 
Großvaterstuhl; und jeden Tag stand er ein oder zweimal auf und sah wieder 
hinaus. Aber es war noch immer so. Und immer früh Schokolade und mit¬ 
tags einen Tag um den andern Kalbsbraten mit Apfelmus und Milchreis mit 
Bratwürsten und nachher rote Grütze; immerzu, immerzu, einen Tag wie den 
andern. — 
Als jedoch tausend Jahre vergangen waren, klirrte der große eiserne 
Riegel am Tor und Petrus trat ein. „Nun", fragte er, „wie gefällt es dir?" 
Da wurde der reiche Mann bitterböse: „Wie mir's gefällt? Schlecht ge¬ 
fällt mir's, ganz schlecht! So schlecht, wie es einem nur in so einem nichts¬ 
würdigen Schlosse gefallen kann! Wie kannst du dir nur denken, daß man es 
hier tausend Jahre aushalten kann! Man hört nichts, man sieht nichts; niemand 
bekümmert sich um einen. Nichts wie Lügen sind es mit eurem vielgepriesenen 
Himmel und mit eurer ewigen Glückseligkeit. Eine ganz erbärmliche Einrich¬ 
tung ist es!" 
Da blickte ihn Petrus verwundert an und sagte: „Du weißt wohl gar 
nicht, wo du bist? Du denkst wohl, du bist im Himmel? In der Hölle bist 
du. Du hast dich ja selbst in die Hölle gewünscht. Das Schloß gehört zur 
Hölle." 
„Zur Hölle?" wiederholte der Reiche erschrocken. „Das hier ist doch nicht 
die Hölle? Wo sind denn der Teufel und das Feuer und die Kessel?" 
„Du meinst wohl", entgegnete Petrus, „daß die Sünder jetzt immer noch 
gebraten werden wie früher? Das ist schon lange nicht mehr so. Aber in der 
Hölle bist du, verlaß dich darauf, und zwar recht tief drin, sodaß du einen 
schon dauern kannst. Mit der Zeit wirst du's wohl selbst inne werden." 
Da fiel der reiche Mann entsetzt rückwärts in seinen Großvaterstuhl, hielt 
sich die Hände vors Gesicht und schluchzte: „In der Hölle, in der Hölle! Ich 
armer, unglücklicher Mensch, was soll aus mir werden?" 
Aber Petrus machte die Türe auf und ging fort, und als er den eisernen 
Riegel draußen wieder vorschob, hörte er drinnen den Reichen immer noch 
schluchzen: „In der Hölle, in der Hölle! Ich armer, unglücklicher Mensch, was 
soll aus mir werden?" 
Und wieder vergingen hundert Jahre und aberhundert, und die Zeit 
wurde dem reichen Manne so entsetzlich lang, wie niemand es sich auch nur 
denken kann. Und als das zweite Tausend zu Ende kam, trat Petrus aber¬ 
mals ein. 
„Ach!" rief ihm der reiche Mann entgegen, „ich habe mich so sehr nach 
dir gesehnt! Ich bin sehr traurig! Und so wie jetzt soll es immer bleiben? 
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